Immer wenn mir Zweifel an der Wirklichkeit kommen, mache ich den sogenannten Matrixtest. Dazu entlade ich mit einem EMP-Gerät sämtliche elektromagnetischen Felder in meinem Umfeld, was jede wie auch immer geartete Matrix zusammenbrechen ließe. Zuvor habe ich das EMP durch ein zweites überprüft. Es könnte ja schließlich selbst eine Simulation innerhalb eines Simulakrums sein. Dann fülle ich einen vorbereiteten Bogen mit folgenden Fragen aus: Wer bin ich? Wie sehe ich aus? Welche Gegenstände befinden sich in meinem Zimmer? Was ist mein Lieblingsessen? Wie hieß meine erste Freundin? Wie lautet mein Lieblingszitat? Dann vergleiche ich die Antworten mit denen der bisherigen Testbögen. Bislang gab es unter unzähligen Versionen noch keine einzige Übereinstimmung. Für mich der sichere Beweis, mich nicht in einer als konsistent vorgespiegelten Wirklichkeit zu befinden, sondern ein aufrichtiges Produkt meiner Einbildungskraft zu sein. Oder bin ich das Produkt eines Denkfehlers?
Schlafen als Gegenmittel gegen die Beschleunigung unserer Lebens? Ja, auch gegen die dauernde Inanspruchnahme durch von außen aufgetürmte Informationen und Kommunikationsanreize. Und was noch wichtiger ist: Träumen und Tagträumen, damit wir zwischendurch auch mal einen eigenen Gedanken fassen können.
Noch treibe ich in einem Boot auf dem Wasser, das unter mir gluckst, und beginne erste Geräusche im Haus zu hören. Ein schönes Gefühl langsam von einer Welt in die andere hinüberzugleiten. Es gehört mittlerweile zum guten Ton, den Träumen nachzuhängen und sie weiterzuspinnen, bis sich die Müdigkeit gänzlich aus dem Körper zurückgezogen hat. Der Schlaf ist uns heilig geworden, der Traum stellt uns wieder her, im Wachtraum bestimmen wir uns selbst. Der Rest des Tages ergibt sich dann von ganz alleine. Ich stehe langsam auf und greife zu meinem Tagebuch, in das ich einige Eindrücke meiner nächtlichen Bootsfahrt notiere. Kaffee trinkend und frühstückend betrachte ich die Landschaft draußen, wie sie mir als träumender Geist Zeichen sendet. Ich lese in einem Buch über ein magisches Theater und mache mich dann bereit für meine Aufgaben draußen. Dann werde ich mit dem Boot auf den See hinausfahren und die Wasserzufuhr auf der anderen Seite kontrollieren. Gemächlich paddle ich dahin. Aber ich bin voll konzentriert auf mein Tun, auf das Wasser und die Technik, die mich am anderen Ende erwartet.
Die beliebtesten und angesagtesten Beiträge auf Google+, Minimum 200-mal geplusst, sind erstaunlicherweise Naturfotografien. Und das jeden Tag. Wie kommt dieses Phänomen zustande? Warum bewerten die User ausgerechnet in digitalen und technikaffinen Medien die entspannende und künstlerische Naturfotografie so hoch? Ein letztes Zucken der Naturverbundenheit? Ein kontemplativer Ausgleich inmitten aller Beschleunigung? Oder gibt es das Erhabene nicht nur in der Natur, sondern auch im Internet?
Nationalpark Unteres Odertal, Foto von Dirk Nowak, Quelle Google+
Neuer Mensch, o werde! Ein flehender Wunsch der Expressionisten kurz vor der Zeitenwende und dem Absturz ins Chaos des 1. Weltkriegs. Ganz andere neue Menschen geistern über die TV-Bildschirme und bescherten den Zuschauern die weltweit bislang erfolgreichste US-Serie: The Walking Dead. Die groteske Dystopie fragt nicht mehr nach dem neuen Menschen, sondern danach, wie man in der Barbarei Mensch bleiben kann. Eine utopische Bankrotterklärung?
Über soziale Netzwerke machen sich Unternehmen gemein mit ihren Kunden. Gespräche auf Augenhöhe, Geschichten im Dunstkreis ihrer Produkte, Aktivierung der braven Mitmachmentalität. So sucht Die Bahn den Dialog mit ihren über Verspätungen verärgerten Kunden , Audi verhandelt über die Mobilität von morgen in einer eigens dafür geschaffenen Community und Carl Zeiss unterhält die Besucher mit visuellen Rätseln, an denen nicht zufällig die eigenen optischen Technologien beteiligt sind. Alles im Grunde positiv! Aber sind Geschäftsbeziehungen nicht immer von Hintergedanken geprägt?
Seit Wulf aus dem Amt gejagt wurde, können wir uns entspannt zurücklehnen und müssen uns nicht mehr mit dem System beschäftigen. Wir genießen die Aufführung des neuen Helden. Aber nichts hat sich verändert und nichts ist in Ordnung. Der Personenkult bildet die Oberfläche unserer Gesellschaft. Die sieben Achtel des Eisbergs darunter bleiben davon unberührt. Nur die Wasserlinie kräuselt sich.
Jeremy Rifkin setzt seine Parteinahme für Europa fort und ruft die dritte industrielle Revolution aus. Sein Buch über die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter beschwört die Chancen, die aus dem Geist der Kollaboration heraus entstehen könnten. Eine neue Form der Humanität sieht er vor allem in Europa im Entstehen begriffen, aus dem Zusammendenken von Internet-Vernetzung und Green Energy.
Wir sind alle Politiker, Bauern, Elektroniker, Handwerker und Künstler in Personalunion. Jeder Mensch lebt alle diese Bestandteile, nicht als Monade, sondern im sozialen Netzwerk. Das ist vielleicht die kulturelle Leistung seit dem Wiederaufbau. Die mystische vom alten Marx aufgestellte Formel, dass aus der Trennung von Hand- und Kopfarbeit nur falsches Bewusstsein entstehen könne, ist damit aufgehoben.
Niemand muss unentwegt kreativ sein, nichts als Hausarbeit verrichten, permanent Leute überzeugen und gewinnen oder Pflanzen züchten und ernten. Nein, wir existieren in einem ausgewogenen Gleichgewicht zwischen allen diesen Tätigkeiten. Wir denken auf der Basis unserer körperlichen Gegegebenheiten. Jeder Gedanke und jedes Gesetz atmet die Erfahrung täglicher Arbeit. Und die von uns gemalten Bilder geben uns die Kontur, die wir zum Überleben brauchen. Aber auch heute gibt es Sklaven: Maschinen, die wir aus Humanitätsgründen nicht mit Empfindungen ausgestattet haben.
Vor einiger Zeit besuchte ich eine Veranstaltung, auf der Fritz Reheis sein Buch „Wo Marx Recht hat“ vorstellte. Anhand von 12 Thesen zeigte er, welche ökonomischen Entwicklungen Marx antizipiert hatte. Diese Thesen über Marx bzw. von Marx schieben den Vorhang unseres Verblendungszusammenhangs einen Augenblick beiseite. Es wird deutlich, wie fremd die Welt, in der wir leben, eigentlich ist.
Marx was right; Flickr-Fotostream von "the justified sinner"
Eine kleine Verbeugung vor Mario Sixtus, nachdem ich mir sein übermorgen.tv endlich genauer angeschaut habe. Die Perspektive auf das Netz, die Sixtus in die Zukunft hochrechnet und satirisch überhöht, lässt Gefahren und Hoffnungen gegenwärtiger Trends erkennen. Nicht selten werden neue, aus ihnen resultierende Krankheiten beschrieben. Was beispielsweise, wenn man nur noch in Livestreams anderer existiert? Wenn uns künftig Robot-Content überschwemmt? Oder wenn man für Anonymität im Netz bezahlen muss?
Die Welt hält sich bei 6,0 Prozent Arbeitslosigkeit, in Europa steigt sie deutlich an. 2010 waren 45 Millionen Menschen in Europa ohne Job. Nur Deutschland und Österreich widersetzen sich dem Trend und bilden eine Insel der glückseligen Highend-Billigjobber. Schließlich gab es seit Einführung des Euros kaum mehr seriöse Lohn-/Gehaltserhöhungen. Unsere Arbeitskraft hat sich im Wert halbiert, auch wenn viele von uns mehr arbeiten als je zuvor.