Hyperbaustelle

Überzeugung und Strategie

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Vor der Bundestagswahl 2009 – wir überlegen uns, wie wir wählen müssen, um Schwarz-Gelb oder Schlimmeres zu verhindern. Statt einfach zu tun, wovon wir überzeugt sind. Unsere Strategien bauen mit am großen Entfremdungszusammenhang, den wir als unsere Wirklichkeit bejammern.

Schlamm

Die schlammige Farbe der Strategie ...; Foto urb

Lange studieren wir einen Artikel in der Zeit: Farbige Drei- und Rechtecke bilden komplizierte Formen. Da hat ein Grafiker seine Vorliebe zur Mengenlehre ausgelebt, wir wollen allerdings zu einer Entscheidung kommen, was wir wählen sollen. Beautiful Mind-mäßig fühle ich mich auf der Suche nach Mustern und baue allmählich die Erwartung auf, dass sich durch die Mischung der bekannten Farben eine ganz neue ergibt. Aber es entsteht nichts weiter als die schlammige Farbe der Strategie.

Ein Beispiel: Auch wenn Barbara Rütting für sie Werbung gemacht hat, die Partei Mensch Umwelt Tierschutz taucht im Wahlkalkül der Journalisten nicht auf, denke ich mir. Sie hat keine Chance und aus strategischen Erwägungen heraus wischt man sie einfach vom Tisch. »Ohne Direktkandidaten! Tierschutz! Solche Peinlichkeiten! Wirtschaftlich haben die sicher nichts drauf«, tönt ein Arbeitskollege. Selbst die vollkommen frustrierten Nichtwähler erheben sich also über aufrichtige Überzeugungen.

Na, sage ich, mit dieser destruktiven Borniertheit kommen wir freilich keinen Schritt voran – wenn wir in unseren verpupsten Beamtensesseln hocken bleiben und jeden nicht schon tausendmal kopierten Ansatz mit Spott überziehen. Aber genau so hat man Erfolg in unserem Lande, entgegnet man mir, nichts tun und den anderen die Spielsachen kaputt machen. Trotzdem: Die meisten fühlen sich nicht wohl in einem solchen Entfremdungsmöbel, schließe ich aus eigener Erfahrung und daraus, dass ein Zitat von Vaclav Havel überraschend häufig im Internet herumgeistert:

Hoffnung, ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.

Vielleicht brauche ich Hoffnung, um einen völlig ungewissen Schritt zu tun, denke ich, einer Überzeugung, dass etwas das Richtige ist, zu folgen, wäre immerhin schon ein Fortschritt.

Nein, auf keinen Fall dürfen wir zu viel von uns preisgeben, höre ich. Was wir gern hätten, dürfen wir so direkt nicht sagen. Wir brauchen Sprachregelungen, wir müssen doch erst sehen, wie die anderen darüber denken. Nein, nein, wir ziehen uns lieber auf ein weitverbreitetes Muster zurück, das Erfolg verspricht, weil alle davon ausgehen, dass alle so denken. Wir schicken nur noch Doubles, Surrogates, Spaltprodukte, Nicks, Astralkörper, Abziehbilder von uns auf die Piste und lassen ein tiefes Unbehagen zu Hause sitzen. Wir handeln nicht aus einer Überzeugung heraus, sondern lähmen uns mit Machbarkeitsüberlegungen. Wir vergiften unseren Geist mit Siegerphantasien. Wir sagen uns, dass uns unternehmerisches Denken adelt und uns etwas von dem erotisierenden Stallgeruch verleiht, den wir nötig haben, um andere und uns selbst zu betäuben.

Aber wer springt schon gerne ununterbrochen über Ochser und Wassergräben, obwohl er bequem außen herum laufen und dabei vielleicht noch nette Gespräche führen könnte. Hören wir einfach damit auf und übernehmen Verantwortung für unsere Überzeugungen! Peinlich berührt lässt man mich stehen.

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Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 14. Oktober 2009 um 00:20 Uhr von urb veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Politik / Gesellschaft abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen. Du hast die Möglichkeit einen Kommentar zu hinterlassen, oder einen Trackback von deinem Weblog zu senden.

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1 Kommentar »

  1. […] Entstehen von der sogenannten Realität zensiert werden. Dabei sollte man versuchen, zu seinen Überzeugungen zu stehen und nicht Machbarkeitsüberlegungen die Oberhand gewinnen […]

    Pingback: Hyperbaustelle » Utopie im Oktober | Utopie-Blog – 02. November 2009 @ 14:21

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