Abgesehen davon, dass das Bruce Willis-Abziehbild mit Blondschopf wirklich schräg rüberkommt, bleiben in diesem Film die Vorlagen (siehe Kritik auf Filmstarts) völlig ungenutzt und viele Fragen offen. Immerhin wird die Fantasie angeregt, sich vorzustellen, wohin uns fehlende Technikreflexion führen kann. Bedrohlich wirkt der Streifen, weil er in einer nahen Zukunft spielen könnte, die durch Second Life oder andere Phänomene des Cyberspace schon zu großen Teilen Wirklichkeit geworden ist.
Den Film als »Kommunikationsutopie« zu bezeichnen, nur weil Menschen mittels ihrer Avatare interagieren und kommunizieren, scheint mir aus mehren Gründen vollkommen falsch. Denn wie schaut es in einer Welt aus, in der es nötig ist, aus Angst vor Verbrechen und Unfällen auf ferngesteuerte Roboter mit menschlicher Erscheinung auszuweichen? Oder in der sich die Wünsche der Stubenhocker nur auf ihr Aussehen in der Öffentlichkeit beschränken? Kann die elektronische Gefühlsübertragung von Maschine zu Mensch tatsächlich körperlich-seelische Erfüllung bringen, vor allem wenn sich die Monade bewusst ist, dass sich draußen nur Nicht-Ichs begegnen? Und kann sich einen solchen Roboter tatsächlich jeder leisten? Verhält es sich da nicht ähnlich wie bei der Schönheitschirurgie?
Der flächendeckende Einsatz von Avatartechnik führt also nicht zu einer besseren Welt, sondern zu einer durch und durch fetischisierten. Sicher ist es gut, von Maschinen Arbeiten verrichten zu lassen, die nicht menschenwürdig sind. Aber die Kommunikation und das direkte Miteinander sollten wir trotz der Verletzungsrisiken nicht aus der Hand geben, weil nur darin auch Verantwortlichkeit wachsen kann. Dass ein ins Reale aufgeblasenes Ballerspiel mit reparablen Robotern nicht gerade die Grundlage für einen sorgsamen zwischenmenschlichen Umgang schafft, bedarf keiner weiteren Erklärung. Es wäre nur nötig, für eine Umwelt zu sorgen, in der wir uns frei und ungefährdet bewegen können, ohne uns von Robotern vertreten lassen zu müssen.
Ohne Zweifel gibt es manche stark vermittelte Kommunikationsformen – wie die Geschichte des Briefwechsels beweisen mag – die zweckmäßiger und intensiver über Internet und Cyberspace verlaufen. Aber wir werden kraftlos, ausrechenbar und abhängig, wenn wir uns auf die elektronische Prothese reduzieren. Ganz klar, das Internet hat in seiner anarchischen Ausfaltung utopische Gestalt: Der freie Zugang zu Informationen, die Möglichkeit, neue, weit über das Reale hinausreichende Wahlverwandtschaften zu finden, das sind bewahrungswürdige Ideale, um die wir in Zukunft wohl auch noch kämpfen werden müssen.
Filmkritik bei Filmstarts
http://www.filmstarts.de/kritiken/91303-Surrogates.html
« Pappmaché-Zauber – Kommentier dich doch selbst »
[…] ist einer intensiven Betrachtung wert. Wie es sich nicht entwickeln sollte, könnte etwa der Film Surrogates zeigen: die Gefahr einer Techno-Utopie bei fehlender Technikreflexion und ein misslungenes […]
Pingback: Hyperbaustelle » Utopie im Oktober | Utopie-Blog – 01. November 2009 @ 17:08