Es wurde bereits viel geschrieben über den Film, der mit den Worten von Spiegel online (6.9.2009) die Filmfestspiele in Venedig »rockte« und als »gnadenlos manipulativer und mitreißender Aufruf zur Weltrevolution« zu werten wäre. Es mag durchaus sein, dass der Film ein ehrliches und leidenschaftliches Projekt ist und Gerechtigkeit für viele Menschen einfordert, denen es viel zu schlecht geht , aber irgendwie kommt einem das Ganze doch spanisch vor.
Mich stört nicht einmal, dass der Mann mit dem Basescape, wie die Die Welt am 6.9.2009 meinte, von Kapitalismus wenig Ahnung hätte: »Er macht sich mit dem Mann von der Straße gemein und treibt seine Simplifizierungen so weit, dass sie nur noch Plattitüden sind.« Auch dort muss man schließlich seine Leser einstellen und beruhigen. Mich befremdet es eher, wie gut der Berufsprovokateur Moore die Methoden und Mechanismen beherrscht, mit denen man in Amerika normalerweise Systemgegner durch den Schlamm zieht. Wen wundert es da noch, dass er, optimal ans System angepasst oder – wie man will – das System mit seinen eigenen Waffen schlagend, auch optimalen Gewinn aus seinen Projekten schlägt. Dazu die Zeit vom 6.9.2009:
»Denn auch Michael Moore ist Teil der kapitalistischen Verwertungskette, hat seinen Film mit Paramount Vantage und den Weinstein Brothers produziert und stets satte Gewinne eingefahren – bei Fahrenheit 9/11 waren es 500 Millionen Dollar weltweit. Da kann er noch so sehr damit kokettieren, dass dies jetzt der letzte Film wäre, der finanziert würde – man ändert das System nicht, indem man Teil von ihm ist. Oder?«
Keine Frage, mir sind seine Äußerungen im Gespräch mit der „WirtschaftsWoche“ sympathisch, wenn er eindringlich davor warnt, die USA nachzuahmen: »Die amerikanischen Verhältnisse sind ein Menetekel für den Rest der Welt. Ahmen Sie nur nicht Amerika nach. Sonst werden Sie immer mehr Gewalt und mehr Idioten bekommen.« Klar, es ist verständlich, dass er der Meinung ist, dass das Rad nicht zurückgedreht werden kann und dass er auch keinerlei Ansatzpunkte für eine Veränderung nach vorne bietet. Wohlmeinend ist ihm dabei zumindest eines hoch anzurechnen: Er provoziert so stark, dass selbst die paralysiertesten Phlegmatiker anfangen, sich ihre eigenen Gedanken über die Zukunft nach dem Zusammenbruch des Turbokapitalismus zu machen.
Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte
Originaltitel: Capitalism: A Love Story
USA 2009
Laufzeit: 126 Minuten
Kinostart: 12.11.2009
Verleih: Concorde
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