Am 17. Dezember kommt »Avatar – Aufbruch nach Pandora« in die Kinos. Der Plot: Wissenschaftler erschaffen Avatare, um in Gestalt der Bewohner Pandoras diesen Planeten zu erforschen. Der querschnittsgelähmte Marine Jake Sully (Sam Worthington) lässt sich auf das Abenteuer ein, seinen Geist in einen Avatar versetzen zu lassen, in dem er ein „bewegtes“ neues Leben beginnt. Eine heftige Mixtur erwartet den Zuschauer: KI, Cyperpunk, Technikthriller und militärische Weltraumbeherrschung, das alles im Mantel einer Fantasy-Animationsgrafik, die auch die letzte SF-Splittergruppe zur Zielgruppe des Films machen dürfte.
Einer doch schon in die Jahre gekommenen Technik-Utopie wird auf diese Weise zu einem neuen Körpergefühl verholfen: die Verfrachtung des eigenen Gehirns auf ein Träger-Medium, mit dem die Beschränktheit der angeborenen körperlichen Verfassung überwunden wird. Der Avatar bewegt sich nicht wie in »Matrix« in einem Simulakrum, sondern greift in die wirkliche Welt aus, nicht mehr gekoppelt an ein Interface zwischen Nervensystem und virtueller Welt, sondern autark wie eine Wiedergeburt. Das kommt auch der ursprünglichen Bedeutung des Avatars sehr nahe:
»Die Inkarnationen der Gottheit Vishnu werden in Sanskrit mit avatara – wörtlich Abstieg, von ava: hinab und tr: überqueren – bezeichnet. In der hinduistischen Mythologie materialisiert Vishnu einen Körper auf Erden, wenn das Gleichgewicht der Weltordnung am Ende eines Zeitalters in Gefahr ist, um das Unheil abzuwenden.« (epd-Fim 12/09, S. 34)
Es geht also um Rettung, wenn Avatare ins Spiel kommen, ein Hintersinn, der den wenigsten in Chatrooms und Sozialen Medien mit dümmlichen Grafiken geschmückten Subjekten mehr geläufig sein dürfte. Im Prinzip ist auch Jesus Christus ein singulärer Avatar der monotheistischen Religionen. In der jüdischen Weltanschauung lässt der Messias noch immer auf sich warten. Plural geht es demgegenüber in der hinduistischen Welt zu: Dort haben bereits mehrere göttliche Ausgründungen die Brücke zwischen Transzendenz und Immanenz überschritten.
Entkleidet man das Avatarwesen seines religiöses Kontextes, bleibt die Überquerung als rettendes Element übrig. Auch im Film Camerons steht die Grenzerfahrung des menschlichen Soldaten im Körper des Eingeborenen Na’vi im Mittelpunkt. Das Spionagevorhaben kehrt sich zum Instrument der Völkerverständigung um. Utopisch gesprochen lehrt uns der Avatar, dass das Überqueren erstarrter Strukturen und Positionen das einzige Mittel ist, um die Probleme von sich ihrem Ende zuneigenden Zeitaltern lösen und der Menschheit eine Zukunft retten zu können.
« 2109 – Alles frei Haus – 2109 – Barbarische Notschalter »
[…] Ausgerechnet ein Blockbuster in Potenz inszeniert das grenzüberschreitende Moment des Avatars als Rettung! Daraus kann man folgern, dass im Grunde ein breites Einverständnis mit Naturerhaltung, […]
Pingback: Hyperbaustelle » Dezember-Bilanz? | Utopie-Blog – 03. Januar 2010 @ 13:12