Warum ist alles hinter Glas? Und warum kann ich damit nicht spielen? Das Museum konfrontiert Kinder mit vielem, das gänzlich außerhalb ihres Verständnisses der Welt liegt. Aber genau das lässt auch Einsichten zu, die sich aus der Herausgehobenheit der Exponate aus Geschichte und Alltag ergeben. Kinderspielzeug in Reihe über drei Jahrhunderte hinweg zu sehen, prügelt das Aha quasi aus einem heraus.
Zinnsoldaten, Waffen, Ritter, Monster-Warrior für die Jungen, Kaufläden, Puppen und Puppenküchen für die Mädchen – klare Rollenbilder, Kampf und Idylle bereits im Kinderzimmer ausgebreitet und leicht ins Leben verlängerbar. Auch kommt das Mädchen am Herd und der Bub als Ingenieur vor Dampfmaschine, Märklin-Baukasten und Fischertechnik ins Bild. Lego wird zur privaten Ideologie des Wiederaufbaus. Mit Matchbox-Autos und Barbiekleidern werden im Konsum-Zeitalter Modelle für künftige Bedarfe geschaffen. Schließlich die Billigspielmüllflut der Jetztzeit, die verrät, dass die pädagogischen Konzepte den preisgünstigen Produktionsbedigungen gewichen sind.
In den 70ern traten sie ihren Siegszug an und retteten ein Unternehmen vor der Pleite: Die kleinen Plastikmännchen, die so rasch in andere Outfits und Umgebungen schlüpfen und so homogene Reihen bilden können, üben seit ihrer Entstehung eine Faszination auf Kinder aus, die nicht mehr erlöschen wollte. Die Überpoppel lassen sich zu jedem Spiel einsetzen, prima befehligen und werden nur mit goldenem Helm besonders. Trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer Dienstbereitschaft wurden sie schon so oft Teil von Kinderspielen, die eigene Weltentwürfe in sich tragen.
Dasselbe dachte ich mir im Museum angesichts der liebevoll miniaturisierten Landschaften, Städte und Eisenbahnarreale: Sie versuchen zwar ein genaues Abbild der Wirklichkeit zu sein, aber in ihrem Maßstab sind sie ein wenig mehr verfügbar, nach eigenen Gesetzen zu formen und formieren, was nicht gleichbedeutend mit Allmachtsfantasie sein muss. Sondern mit dem berechtigten Anspruch, im Material auch selbst eine Rolle zu spielen.
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Die Spielzeugmüllflut ist so groß geworden, dass seit den 90er Jahren verschiedene Kindergärten komplett alles Spielzeug entsorgt haben. Scheint prinzipiell kein schlechtes Konzept zu sein! Paul
Comment: paul – 17. Februar 2010 @ 15:01
[…] Potenz enthalten, anlässlich eines Besuchs im Spielzeugmuseum hielt ich meine Eindrücke in Toy Story fest: Spielzeug will immer schon auf gesellschaftliche Rollen einstimmen, die Frage ist, ob es die […]
Pingback: Hyperbaustelle » Februar-Kehraus | Utopie-Blog – 28. Februar 2010 @ 17:23
War das mit der Spielzeug-Flut denn jemals anders? Als ich Kind war, kann ich mich nur allzu gut erinnern, dass es auch viel Überflüssiges gab. Die Zeiten ändern sich, und das Spielzeug ändert sich eben auch …
Comment: Rainer – 23. Dezember 2010 @ 13:22
@Rainer: Sicher gab es immer schon viel Überflüssiges, aber der Massenoutput von billigem Plastikspielzeug ist schon eine Erscheinung der neuesten Zeit.
Comment: urb – 03. Januar 2011 @ 11:26