Hyperbaustelle

Im Nexus mit Philip K. Dick

Nexus – woher kennt man das? SciFi-Fans werden nicht lange überlegen müssen: eine Art spirituelle Matrix im gleichnamigen Star Trek-Film mit Jean-Luc Picard und James D. Kirk. Und die Androiden-Generation Nexus-6 aus Philip K. Dicks Erzählung »Do Androids Dream of Electric Sheep?«  – vielen besser aus der Verfilmung »Blade Runner« bekannt. Technikfreaks werden sofort an das Google-Smartphone Nexus One denken. Gegen das klagt Dicks Rechteverwertungsfirma jetzt.

Rutger Hauer spielt einen der Nexus-Replikanten in Blade Runner.

Mehr als ein Telefon - Rutger Hauer spielt einen der Nexus-Replikanten in Blade Runner.

Nexus – das lateinische Wort ist eine kleine Wortutopie für sich und bedeutet so viel wie Verbindung, Gefüge oder auch Nabe. Einen Nexus herstellen, heißt eine gedankliche Leistung vollbringen. Das Internet ließe sich in seinem besten Sinne als Nexus bezeichnen.  Im Star Trek-Kino »Treffen der Generationen« steht Nexus für eine Art Paralleluniversum, in dem Zeit und Raum keine Rolle spielen und alle Aufgenommenen  in einem glückseligen Zustand des innerlichen und unmittelbaren Verbundenseins miteinander koexistieren.

Google identifiziert sich vollkommen mit der Bedeutung dieses Wortes: eine Verknüpfung oder ein Ort, an dem verschiedene Dinge zusammenlaufen. Google weiß, welchen Kontext es durch den Produktnamen Nexus One verspricht. Durch und durch positiv konnotiert und für ein Telefon naheliegend: Die Verbindung wird gehalten. Dass Nexus von vielen Autoren vorbelegt wurde, hat aber auch Nachteile:  So sehen die Erben des US-Science-Fiction-Autors Philip K. Dick durch den Benennung des neuen Google-Smartphones die geistigen Eigentumsrechte des 1982 verstorbenen Schriftstellers verletzt.

Markenrechtsexperten sind skeptisch, ob die Dick-Erben ihren Anspruch durchsetzen können. Sie müssten überzeugend darlegen, dass der Begriff bei einer breiten Öffentlichkeit mit dem Androiden aus Dicks Roman verknüpft ist und so der Eindruck entstehen könnte, das Google-Phone habe etwas mit dem Schriftsteller zu tun. Dieser Verdacht wird noch durch die im Nexus One eingesetzte Software-Plattform Android unterstützt. Für Isa Dick-Hackett, Tochter des Autors und Chefin der Rechteverwertungsfirma Electric Shepherd Productions,  besteht aber kein Zweifel, dass Google vom bekannten Namen „Nexus“ profitieren will: »Sie haben ein System namens Android und nun nennen sie eines ihrer Telefone Nexus One. Das fällt Leuten auf, die die Erzählung kennen.« (zit. n. Wallstreet Journal)

Wir befinden uns also in einem dichten Gewebe von Verbindungen, Ähnlichkeiten, Parallelen und Anspielungen, die im Nexus Glückseligkeit bedeuten würden, in der kapitalistischen Wirklichkeit aber auf Rechtsstreitigkeiten hinauslaufen. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass Nexus im römischen Recht ein Rechtsgeschäft darstellte. Eine Sache, die einer Plattform wohl ständig begegnen wird, wenn sie sich zu dem Ort machen will, an dem alles zusammenläuft. Wird sie es aber auch schaffen, dass sich die Menschen innerlich und geistig verbunden fühlen?

Zurück zu Dicks Werk, das einen Ideen-Nexus für sich bildet, für den wir eigentlich ständig zahlen müssten, sobald irgendwo eine Zukunftsvision festgehalten wird. Dick hat schon in seinen frühen Erzählungen der 50er und 60er Jahre alle wichtigen Zukunftsszenarien durchgespielt und im Grunde alles vorgedacht, was Science Fiction seit Ende des Krieges aufs Tablett kriegen konnte. Nicht nur dass: Viele philosophische, soziale und technische Fragen finden sich bei ihm, bevor sie in der Realität auffällig wurden. Er war ein apokalyptischer Visionär, utopisch in seiner Ideenvielfalt und seinen Warnungen, die vielen seiner Texte zu entnehmen sind.

Hollywood bedient sich seit langem seiner Vorlagen: „Do Androids Dream of Electric Sheep?“ wurde in Blade Runner (1982) adaptiert, „We Can Remember It For You Wholesale“ in Total Recall (1990), „Confessions of a Crap Artist“ in Confessions d’un Barjo (1992), „Second Variety“   in Screamers (1995), „Impostor“ in Impostor (2001),  „The Minority Report“  in Minority Report (2002), „Paycheck“ in Paycheck (2003) , „A Scanner Darkly“ in A Scanner Darkly (2006) und „The Golden Man“ in Next (2007). Selbst die Matrix kann man auf Motive von Dick zurückführen. Schließlich war er der Meinung, dass eine Realität künstlich geschaffen wird, um die Menschen, die in ihr leben, zu täuschen.

Weitere Ausführungen zu Dick werde ich zu gegebenem Zeitpunkt auf der Hyperbaustelle fortsetzen.

Dieser Beitrag wurde am Montag, 22. Februar 2010 um 21:53 Uhr von urb veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Literatur / Film abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen. Du hast die Möglichkeit einen Kommentar zu hinterlassen, oder einen Trackback von deinem Weblog zu senden.

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4 Comments »

  1. Lange bevor Science Fiction Freaks und Google Anhänger den Charme des Wortes Nexus für sich entdeckten, haben Zellbiologen und Anatomen dem Wort einen vergleichsweise definierten Kontext gegeben. Interessanterweise handelt es sich dabei nicht nur um Zell-Zell-Kontakte, sondern um Strukturen, die speziell der elektrischen Übertragung von Signalen dienen. Nerven oder Muskelzellen, die solche Verbindungen tragen (z.B. Herzmuskelzellen) sollen damit funktionell gleichgeschaltet werden. Und hier müßte man nochmal überlegen,ob das Internet nicht eher in seinem schlechten anstatt in seinem besten Sinne so bezeichnet werden kann.

    Comment: vali – 26. Februar 2010 @ 14:57

  2. […] Werk eher diese Qualität des Netzwerks erfüllen, habe ich in meiner kleinen Hommage an Philip K. Dick untergebracht. Wie im Nexus aus der utopischen Literatur kommt es m.E. schließlich auf die […]

    Pingback: Hyperbaustelle » Februar-Kehraus | Utopie-Blog – 28. Februar 2010 @ 21:30

  3. Was mich an der Schaffenskraft von Dick fasziniert ist seine Suche nach Homöostase – einem sich selbst regulierendem System, nach dem Gleichgewicht in allem, was ist. Ein wunderbares Bemühen, das auf einer uns ungewohnten Ebene der Intuition, der Bildsymbole und Analogien erfolgt. In seinem Buch „Orakel vom Berge“ hat er es genial umgesetzt.

    Wie verbinden sich eigentlich Schriftsteller mit dem Nexus – einem Paralleluniversum der Imagination, der Vorstellungskraft? Irgendwo habe ich gelesen, dass der mit Dick in Brieffreundschaft verbundene polnische Schriftsteller Stanislaw Lem um vier in der Früh aufgestanden ist, um noch im Schlafzustand zu schreiben. Denn wenn man träumt, schafft der Geist Bilder aus dem Nichts, dasselbe passiert beim Schreiben, wenn einen noch keine anderen Tätigkeiten und Banalitäten entweiht haben. Man kann wahrscheinlich nur morgens – aus dem Bett und mit Kaffee an den Schreibtisch – Vernünftiges aufs Papier bringen, noch ganz überzeugt von den eigenen inneren Vorgängen und ganz bei sich.

    Das Gehirn hat eine immense Kraft, Realitäten zu erschaffen – so stellt sich die Frage, ob es den Nexus erschafft oder nur Kraft aus ihm schöpft?

    Comment: Nina – 01. März 2010 @ 21:31

  4. Hi Nina, Thomas Mann lobte am frühmorgendlichen Schreiben die Ausgeschlafenheit, den wachen Verstand, vielleicht hat er sich selbst zu bürgerlich eingeschätzt – und wer sagt, dass Traum und wacher Verstand einen Widerspruch darstellen. Gruß urb

    Comment: urb – 02. März 2010 @ 11:32

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