Helden sind einsam und ergreifen plötzlich und brutal die Initiative gegen jeden Wider- und Verstand – ein Lehrstück der amerikanischen Filmwelt, das an der Realität zwar meilenweit vorbeireitet, aber tief blicken lässt: Dass sich Menschen mit einem Falling-Down-Helden identifizieren können, ist Ausdruck eines aufgegebenen oder nie ins Leben gerufenen Dialogs.
Die Vorstellung, sich Freiheit eher mittels Amoklauf als aufgrund gesellschaftlich korrekten Handelns zu verschaffen, resultiert aus dem Verzweifeln einer Kultur gegenüber, die uns alles andere als wohlgesonnen ist – vorausgesetzt man zählt nicht zur Klientel der FDP. Denn die Schönwetterelite bleibt stets verschont. Der Gedanke, dass man frei durch eine Gesellschaft werden kann, die hinter einem steht, ist verständlicherweise nicht mehr allzu weit verbreitet. Stattdessen leben Politik und Wirtschaft Lobbyismus und persönliche Bereicherung vor, und die Ausgegrenzten entfalten ihre nicht entwickelten Talente auf U-Bahnhöfen und in Schulen mit Hilfe von Fausthieben, Messern und Feuerwaffen.
Die markigen Sprüche aus dem aknevernarbten Lausbuben-Gesicht, das seine humane Maske längst abgelegt hat: »Freibier für alle macht beliebt!« Ich stelle mir gerade eine alleinerziehende Mutter vor, die nicht mehr das Nötigste zum Leben hat und versucht, ihre Kinder durchzubringen, und aus dem Fernseher hört, dass sie es ist, die mit ihrem unmäßigen Geldverschleiß den Karren an die Wand fahren lässt. Wie ignorant muss man eigentlich sein, um sich einen solchen Auftritt zu leisten? Aber diese Dreistigkeit hat Programm:
Wo wir hinsehen, heißt es »Du bist selbst Schuld. Du hast doch alle Freiheiten. Warum machst du nichts draus?« Dahinter steckt eine Strategie, die im Grunde nicht nur totalitär, sondern auch noch verlogen ist: »Wir werfen dir zwar jeden nur verfügbaren Prügel zwischen die Beine und sagen dir einfach nicht mehr, wie wir dich gängeln. Vielleicht merkst du es ja nicht, wenn wir unsere Wohltaten oft genug beteuern. Und falls doch, geben wir verbal so lange nach, bis du vielleicht vergessen hast, was du eigentlich wolltest.«
Im Grunde beschwören all diese Einflussnahmen von Seiten der Wirtschaft und ihres Vasallenstaates die Unfähigkeit des Einzelnen, den man versucht, im Hamsterrädchen anzutreiben. Hinter dem Selbstfindungsquark der Karriere-Gurus steht der Aufruf zu Kampf um Arbeitsplätze und Durchsetzungsvermögen gegen Mitbewerber, quasi zum alltäglichen Krieg, der dann halt manchmal missverstanden ausartet.
Angesichts von Finanz- und Wirtschaftskrisen werden mittlerweile immerhin schon strukturelle Engpässe eingeräumt. Aber die Alternativen, die zu deren Beseitigung führen könnten, werden verschwiegen, weil sich die Machtverhältnisse verschieben würden. An dieser Stelle taucht dann auch wieder der erste Silberstreif am Horizont auf. Bislang eine Utopie. Eine, die in Deutschland vielleicht nie Wirklichkeit werden wird. Aber schon einmal Geschichte geworden ist. »Wir sind das Volk« – die Demonstrationen in der sterbenden DDR haben ausreichend bewiesen, dass es auch ohne Amoklauf geht.
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die laufen schon selber Amok. Hier ein Auszug aus den heutigen (nur heute!) Meldungen:
CDU auf Zickzack-Kurs
Schäuble dementiert sich selbst
Die Sprache der Angela Merkel wirkt längst nicht mehr so, als würde die Kanzlerin bloß, wie es Politiker immer schon getan haben, vage formulieren, um keine Angriffsflächen zu bieten. Es scheint, als habe sich diese hohle, technokratische, abstrakte, phantasielose Sprache, umgekehrt, längst des Denkens bemächtigt. Als sei sie kein Mittel zum Zweck mehr, sondern Ausdruck einer tatsächlichen Beschränktheit.
Hilflos
Die Sprache der Kanzlerin
Angela Merkels jüngste Reden strotzen nur so von blutleerer Abstraktheit . Fast schon wünscht man sich die Verschleierungs- und Beschönigungstaktiken früherer Tage zurück. „Wege beschreiten“, „Zukunft gestalten“: Die Bundeskanzlerin findet keine Worte mehr.
http://www.faz.net/s/homepage.html
Samstag, 12. Juni 2010
Gauck macht die CDU nervös
Wahlkampf mit Nelson Mandela
Krach in der Koalition
Guttenberg denkt über Rücktritt nach
Geht nach Koch und Köhler nun Guttenberg? Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung denkt der Verteidigungsminister ernsthaft über einen Rücktritt nach. Auslöser ist ein vom Kanzleramt in Auftrag gegebenes Gutachten zum Kundus-Untersuchungsausschuss. Guttenberg fühlt sich dabei übergangen.
Aktualisiert vor 5 Minuten|SPD IN DER OFFENSIVE(44)
Schwarz-gelbes Hickhack – Steinmeier will Neuwahl
Die Dissonanzen in der Regierungskoalition gehen dem SPD-Fraktionschef zu weit. Deutschland stecke in einer tiefen Krise und brauche einen neuen Bundestag.mehr…
PLUS SPIEGEL TITEL VOM KOMMENDEN MONTAG …..
Comment: mule – 12. Juni 2010 @ 20:02
Ach so, übrigens, war nur kurz weg, bin wieder da …
Comment: mule – 12. Juni 2010 @ 20:03
[…] http://www.hyperbaustelle.de […]
Pingback: Wir sollten es machen, wie urb vorschlägt at PNEW – 12. Juni 2010 @ 20:12
Hallo mule, danke für die schöne Zusammenfassung des politischen Amoklaufens, sehr treffend und hoffentlich baldiges Ende von Schwarz-Gelb. Auf den Straßen hätten gestern noch ein paar mehr Leute sein können, wenn wir es so machen, „wie urb vorschlägt“. Aber das Sparpaket wurde, wie üblich, zum günstigsten Zeitpunkt verkündet, in der Hoffung, dass es im Schatten der Fußball-WM schnell in Vergessenheit gerät, wenn sich die Massen orgiastisch ihrer Verspaßung zuwenden. Für die Rüben danken wir nochmals schön, urb
Comment: urb – 13. Juni 2010 @ 18:17
urb, warst Du das harhar:
16.06.2010,
07:34 Uhr
Texe sagt:
Es wird Zeit daß das Schild
„Betreten des Rasens verboten“ vor dem Reichstag ignoriert wird.
Comment: mule – 18. Juni 2010 @ 14:55
[…] An und für sich ist am Sport nichts auszusetzen. Aber er hat eine volksverdummende Funktion, die einem wieder allzu deutlich ins Auge springt, wenn man Angela Merkel tolpatschig applaudierend im Fußballstadion sieht. Deutschland habe Unglaubliches geleistet, meinte sie im Interview, und hätte sich da wohl gerne mit bei Jogi, Müller, Schweini und Klose unter den Schirm gestellt. Aber Deutschland und speziell diese Regierung hat nicht überrascht und keine “Leidenschaft im Bein” oder sonstwo. Im Schatten der WM hat sie – wie die Fifa im Übrigen auch – die Grundlage gelegt, dass manche reicher werden und viele andere auf lange Sicht ärmer. Ich fand: ein Grund zum Amok laufen. […]
Pingback: Hyperbaustelle » Juni-Passion | Utopie-Blog – 05. Juli 2010 @ 14:23