Es wird trotz aller Vorbehalte einer irrwitzigen, gespenstischen (Vogl: »Das Gespenst des Kapitals«) und völlig irrationalen Ökonomie vertraut, die eher einem Glaubensbekenntnis gleicht, als einem gemeinsam erarbeiteten Grundlage menschlichen Zusammenlebens. Diesen Filz an Vorurteilen zu entfernen, hat sich Horst Müller auf die Fahnen geschrieben. In einem Gespräch teilte er sein Anliegen mit, eine Form der Ökonomie aus konkret vorhandenen Ansätzen abzuleiten, auf der eine gerechtere Gesellschaftordnung entstehen kann. Ein Ansatz könnte eine Kapitaltransfersteuer (keine Finanztransaktionssteuer) sein, zu der ein Voting läuft. Gebt eure Stimme dazu hier ab.
Es liegt auf der Hand, dass Kapitalwirtschaft und ein auf den Menschen ausgerichtetes, soziales System nicht zusammenpassen. Zu viele für uns existenzielle Anliegen fallen dabei unter den Tisch, was dazu führen wird, dass immer mehr Menschen aus diesem System herausfallen werden. Wie die ZDF-Produktion »Aufstand der Jungen« zeigte. Und die Politik autorisiert ihr unkreatives Verwalten von an sie herangetragenen Wirtschaftsinteressen mit dem Prädikat alternativlos.
In Zusammenhang mit Horst Müllers Praxisphilosophie fiel ein neuer Begriff: Utopistik. Er beinhaltet zweierlei: Er distanziert die Utopie von der Vorstellung einer totalitären, weil monologisch entstandenen Fantasie. Utopie ist unter diesem Blickwinkel nicht die klosterähnliche Insel des Thomas Morus, Campanellas Reißbrettstaat oder Stalins Schreckensregime, sondern eine Form des Denkens, das uns ein vorhandenes System immer wieder neu überschreiten lässt.
Zweitens weist Utopistik darauf, das hierzu wissenschaftlich gearbeitet werden muss. Es müssen viele Meinungen und Ansätze mit hineingenommen werden, bevor man zu einer paraktikablen, demokratischen Lösung kommen kann. Nur so kann ein Vorschlagswesen zur Optimierung von Gesellschaften und menschlichem Zusammenleben organisiert werden, eine Einrichtung, die in Übergangszeiten nach Alternativen fahndet und sie auf ihre Zukunftstauglichkeit abklopft.
Die Diskussion, die in den Kommentaren auf der Hyperbaustelle abgebildet ist, lief immer wieder auf diese Frage hinaus. Üben wir zu viel Kritik, ohne praktische Konzepte zu entwerfen oder zu leben. Thorsten Roggendorf hat sich mit seinem Manifest »Extreme Governing« stark eingebracht, das das Austesten von utopischen Zusammenschlüssen favorisiert:
»Ich bezweifle, dass sich das Problem, eine zukunftsfähige gesellschaftliche Organisationsform zu finden, allein durch gesellschaftswissenschaftlichen Diskurs wird lösen lassen. Man wird viele Utopien leben und verwerfen müssen, um sie zu verstehen und bessere Lösungen finden zu können. Das kann durchaus die Form empirischer Untersuchungen annehmen.«
Diesen Rahmen schafft nach Thorsten Roggendorfs Meinung das Extreme Governing: Es können sich dabei beliebige Gruppen zusammenschließen und eine “Regierung” bilden. Sie können sich also jede Verfassung geben, die sie haben möchten. Jeder Einzelne kann mehreren Regierungen angehören. Das soll letztlich in eine alternative Organisationsform einer vernetzten Gesellschaft münden. Am besten ihr lest die interessante Diskussion selbst: Teil 1 + Teil 2.
Die Filme Michael Hanekes zeigen, dass ästhetische Gebilde mit einer offenen Struktur, einen demokratischen Effekt erzielen. Wenn sie dem Rezipienten die Möglichkeiten geben, sich einzubringen, regen sie die Auseinandersetzung mit Szenarien an, die alles andere als eine vorbildliche Kommunikationssituation darstellen. Was bestimmte Codes beim Gegenüber bewirken können, kann nur beurteilt werden, wenn man ihn zu verstehen versucht.
Das Tagebuch gestaltete den Auftakt zum neuen Jahr mit Ringelnatz, der, wie es nov formulierte, fast ein Motto der Hyperbaustelle liefert, indem er die Ortsbestimmung des Glückwunsches in Frage stellt: »Und ob ihn die Vergangenheit / Bewegte oder neue Zeit.« Auf die Wirkungslosigkeit von ökonomischen Maßnahmen wird in Gesundschrumpfen eingegangen. Energiedusche und Fooddesign widmet sich der Aufbereitung von entropisch vernutztem Material. Müllgebirge geht dem Zusammenhang von Abfall und Erholungsgebieten nach.
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