»Kontraste« antwortet auf die ganze Plagiatsaffäre, wie das richtige Journalisten tun sollten. Sie schauen hinter die Meinungskulisse und bilden dadurch Meinung. Und die kann eigentlich gar nicht übler ausfallen. Denn Guttenberg zieht eine Spur der Stümperei durch die politische Landschaft, wohin er auch geht: die Hängepartie mit Opel, die mangelnde Aufarbeitung des Tanklaster-Bombardements, die Ahnungslosigkeit gegenüber den Strukturen und Bräuchen bei der Bundeswehr, die Aufschiebung der bereits beschlossenen Reformen und die völlige Konzeptlosigkeit beim Umbau der Bundeswehr und dem Aussetzen der Wehrpflicht, schließlich das missratene Krisenmanagement in eigener Sache.
Und hier sehe ich Parallelen zu den handwerklichen Mängeln seiner Dissertation. Gehen wir einmal davon aus, dass er die Arbeit nicht selbst geschrieben hat. Denn sollte er sie selbst verfasst haben, müsste man an seiner Zurechnungsfähigkeit zweifeln und davon ausgehen, dass er ohne jeden Schlaf auskommt. Also hätte er das Erstellen der Arbeit leiten müssen, wie man auch ein politisches Team leitet. Mit Sachkenntnis und kritischem Urteilsvermögen. Und in beiden Kontexten scheint ihm das gerade nicht gegeben zu sein.
Guttenberg wird dennoch gestützt wegen eines Charismas, das ihm vor allem von der Bildzeitung bescheinigt wird. Seine Selbstdarstellung in den Medien betreibt Guttenberg beispiellos professionell, wovon sich CDU/CSU viel Popularität versprechen. Aber das sollte nun nicht das einzige Kriterium sein, das einen Politiker auszeichnet. Zumal wenn er sich wie der handlungsstarke Mann geriert, der Streitkräftespaliere entlangläuft und Eurofighter als Backgrounds benutzt, dem die Selbstfeier aus allen Poren rinnt und sich allmählich in einen nicht mehr nachzuvollziehenden Hochmut verwandelt hat.
Kopieren ist eine Kulturtechnik und Garant für Erfolg. Weil Erkenntnisprozesse hauptsächlich ein Wiedererkennen darstellen. Das wissen Wissenschaftler aller Generationen und Disziplinen. Und KTG hätte in seiner Doktorarbeit auch nur nach tradierter Weise umformulieren müssen, was hie und da ja durchaus zu etwas wie einem originellen Gedanken führt. Was ich im Falle Guttenberg aber darüber hinaus wiedererkenne, will ich gar nicht sagen, so sehr erschreckt es mich. Und die Rolle der Springerpresse ist dabei wie immer zutiefst obszön. Was für eine Vorstellung von Charisma wird uns denn hier eigentlich vorexerziert und mit selbst gebastelten Umfragen untergeschoben? Man möchte sich übergeben.
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Herr Guttenberg war zwar nicht fähig eine Doktorarbeit zu schreiben, aber es ist ihm gelungen unserer Gesellschaft ein 1a Armutszeugnis auszustellen und wieder mußte er es nicht selbst schreiben! Hoffentlich gibt es wenigstens einen fundierten Fetzen Schriftverkehr über das Verhältnis zu seinem Doktorvater, seinen Gutachtern und der Promotionskommission. Denn nur vom ungeschickten Fälschen wird keiner Doktor. ‚Summa cum laude‘ ist ein sicheres Zeichen, daß man sehenden Auges den Freiherrn zum Dr. münch. oder Dr. krull. zu Guttenberg gemacht hat.
Comment: vali – 25. Februar 2011 @ 13:59
Hi vali, schön mal wieder von dir zu lesen.
„Buyreuth“, wie man mittlerweile so schön sagt, hat also Dreck am Stecken? Ja, es ist auch kaum zu glauben, dass zwei (und wahrscheinlich mehr) Fachkorrektoren über ca. 100 Seiten Plagiat hinweglesen. Das muss Konsequenzen haben! Beste Grüße urb
Comment: urb – 25. Februar 2011 @ 15:08
Eigentlich muss man davon ausgehen, dass er die Arbeit tatsächlich selber geschrieben hat. Denn: welcher Ghostwriter würde sich den WAGEN, seinem Auftraggeber sowas abzugeben???? Selbst wenn man unterstellt, der Ghostwriter wolle ihm schaden, ist das unwahrscheinlich – denn er hätte ja nicht wissen können, dass Guttenberg so blöd ist, die Arbeit nicht mal zu überprüfen.
Comment: Claudia – 26. Februar 2011 @ 09:30
@Claudia: Wenn man von professionellen Ghostwritern ausgeht, gebe ich dir vollkommen Recht: Niemand, der Doktorarbeiten für Geld schreibt, würde diese Fehler begehen und dieses Risiko eingehen.
Es könnten ja aber auch irgendwelche Schreib- und Politsklaven gewesen sein. Die Reden Guttenbergs werden ja mittlerweile auch schon untersucht! Das wäre meine These.
Sollte er diese Dissertation aber tatsächlich selbst geschrieben haben, muss er sich sehr sicher gewesen sein, dass da niemand nachforschen wird – oder er ist vollkommen schwachsinnig oder gemeingefährlich naiv. Denn leider kann man sich bei einer veröffentlichten Arbeit nie ganz sicher sein, ob da nicht jemand daran flicken wird, wie es die vergangenen Wochen ja auch gezeigt haben.
Ebenso unverständlich das Vorgehen der Universität: Die müssten selbst im Korruptionsfall doch vor Drucklegung Nachbesserungen empfohlen haben, um selbst keinen Schaden zu leiden. Es hat ja auch geheißen, dass es merkwürdig still um Guttenbergs Dissertation gewesen ist, bevor sich Fischer-Lecusa mit ihr ausführlicher beschäftigt hat.
Also an vielen Stellen ein kaum nachzuvollziehendes Szenario! Vieles spricht für einen bodenlosen Hochmut auf beiden Seiten!
Comment: urb – 26. Februar 2011 @ 16:48
„Schreibsklaven“ – das hört sich nach einer überzeugenden Antwort auf die Frage nach dem Verfasser / den Verfassern an! Vermutlich wurde das Stück bei Kerzenschein rhapsodisch zusammengenäht, wie in tugendhaften alten Zeiten.
Meine Wenigkeit hatte übrigens das große Vergnügen, selbst einige Semester bei Prof. H. in BT zu studieren. „Hochmut“ mag ich selbst in diesem Zusammenhang nicht anführen; Realitätsbezug jedoch ist bei einem Dr. h.c. mult. offenbar nicht immer selbstverständlich; Nett waren stets die Auftritte der vielen wusligen Assistenten zum Zwecke der Aus- und Ankleidezeremonie des Vortragenden vor und nach jeder Vorlesung. Wirklich tragisch, was ich da nun in der SZ lesen muss: http://www.sueddeutsche.de/karriere/peter-haeberle-guttenbergs-verzweifelter-doktorvater-1.1065414
Dahingestellt – wie genau es zur Annahme und Veröffentlichung des Flickwerks kommen konnte, ist unbestreitbar für jeden Menschen, der auch nur ansatzweise mit dem akademischem Arbeiten in Kontakt gekommen ist, nicht nachvollziehbar. Die Uni BT wird gut daran tun, hier gnadenlos aufzuklären und reinen Tisch zu machen! Umso enttarnender für dieses Land ist aber, dass auch in anderen Medien als der BLÖD-Zeitung die Zustimmungswerte für Guttenberg nach Bekanntwerden der Tatsachen sogar noch angestiegen sind. Das lässt mehrere Schlüsse zu: Ich für meinen Teil befürchte, dass Unterschleif von vielen einfach als völlig normal empfunden wird, um seine Ziele zu erreichen. Wie auch sonst?
Doch Hoffnung bleibt, wenn auch von fragwürdiger Seite:
Dass im BY2-Funk mittlerweile im Kommentar Vergleiche zwischen Guttenbergs Deutschland und Berlusconis Italien gezogen werden, lässt vermuten, dass KT nicht mehr lange der geduldete (wenn auch sicher nicht einzige) Schandfleck des Landes sein wird: Seine Feinde in den eigenen Reihen haben sich bestens vorbereitet und ausnahmsweise mal alles richtig gemacht; seine politischen „Freunde“ ziehen sich zurück.
Der hohe Fall des schwarzen Baron ist daher wohl nur verschoben. Und spätestens, wenn strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden, ist er einfach nicht mehr zu halten! Dann bleibt mittelfristig nur noch ein Amt im bayerischen Kabinett, denn dorthin kommt man ja mit jedem Makel oder Promille-Wert 😉
Comment: AB – 27. Februar 2011 @ 22:38
@AB: Die ansteigende Zustimmungswerte sind auch der Grund, warum man sich auf eine moralische Bewertung der Affäre gar nicht einlassen sollte. Denn in breiten Bevölkerungsteilen scheint sich die Meinung zu halten: „Die Schlauen kopieren, die Blöden machen sich selbst die Arbeit.“ Wobei allgemein gerne das Schülerdelikt Abschreiben mit Betrug im Zusammenhang einer wissenschaftlichen Leistung verwechselt wird.
Aber selbst ein Betrug müsste professionell gemanagt werden – und das hat Guttenberg nicht auf die Reihe gekriegt. Das zeigt seine mangelnde Kompetenz im Umgang mit komplexeren Sachverhalten, was ihn für das Amt eines Ministers disqualifiziert.
Genau, AB, nur die Uni Buyreuth könnte auf Betrug klagen, denn sie wurde schließlich betrogen, möglicherweise die einzige Möglichkeit, sich selbst reinzuwaschen. Zweifel an der Kompetenz des dortigen Personals werden bestehen bleiben.
Comment: urb – 27. Februar 2011 @ 23:35
Hallo zusammen! Ich verstehe nicht, warum man überhaupt so viel Aufhebens um die Doktorarbeit macht! Die Rechtswissenschaft ist doch eine Pseudowissenschaft und die Dissertationen rangieren doch in der Bedeutung kurz vor den medizinischen, im Normalfall also bessere Seminararbeiten!
Und was hat Guttenberg bislang geleistet? Außer dass er BLÖD-kompatibel ist?
Comment: paul – 28. Februar 2011 @ 10:40
@paul: Nicht zu vergessen seine CSU – Kompatibilität
siehe Harald Martenstein im Tagesspiegel:
http://www.tagesspiegel.de/meinung/viele-krumme-dinger/3887356.html
Comment: moe – 01. März 2011 @ 11:02
@moe: Danke für den Hinweis auf den Martenstein-Artikel: da befällt einen das Grauen! Naja, endlich ist er abgetreten. Wir dürfen alle gespannt sein, was Friedrich auf der „Old Schwurhand“-Position zu bieten hat.
Comment: paul – 02. März 2011 @ 14:24
[…] wie zum Beispiel den verantwortungsbewussten Umgang mit Mobilität, Daten und politischen Entscheidungsprozessen […]
Pingback: Hyperbaustelle » Über den Winter gekommen? | Utopie-Blog – 05. April 2011 @ 15:27