Hyperbaustelle

Utopie ist realistisch

Raul Zelik, Autor des Gesprächsbuchs »Die Vermessung der Utopie. Über Mythen des Kapitalismus und die kommende Gesellschaft«, spricht auf der Hyperbaustelle über die Notwendigkeit von Utopie, die sich als Kritik an den existierenden Verhältnissen entwickelt. Dabei handelt es sich um einen ergebnisoffenen Prozess, der für die Menschen da ist und von ihnen gestaltet werden muss – nicht umgekehrt.

Raul Zelik

pdf Das Gespräch als PDF

Hyperbaustelle: Herr Zelik, u-topos ist ein Nicht-Ort. Warum ein Land vermessen, das es nicht gibt?

Zelik: Weil der „Ort“, an dem wir leben, die gesellschaftliche Realität, in der wir uns befinden, unvernünftig, dumm, unerträglich ist. Im Kapitalismus werden Güter künstlich verknappt, damit Marktpreise nicht verfallen. Gleichzeitig fehlt einer Milliarde Menschen buchstäblich alles: Kleidung, Nahrung, Trinkwasser, Zugang zu Bildung und Gesundheit usw.

Und umgekehrt der Umgang mit der Natur: Aufgrund der steigenden Produktivität, werden Produkte billiger, und es lässt sich weniger Gewinn damit erwirtschaften. Aus diesem Grund wird im Kapitalismus immer mehr produziert. Der Mengenausstoß muss den Profit retten. Dabei werden natürliche Ressourcen, an denen Mangel herrscht, immer schneller verausgabt.

Der Kapitalismus ist sozusagen da verschwenderisch, wo er sparsam sein sollte, und er gibt sich geizig, wo wir längst im Reich der Freiheit sein könnten. Wir brauchen einen Gegenentwurf, und wir müssen überlegen, wie dieser aussehen, wie er sich entwickeln könnte. Wir müssen begreifen, dass auch nach dem Kapitalismus etwas kommt und dass es von uns abhängt, ob diese Zukunft besser oder schlechter ausfällt.

Kann Utopie vernünftiger als die viel zitierten Sachzwänge oder bestehenden Märkte sein?

Zelik: Sicher. Und es wäre wahrscheinlich auch nicht besonders schwierig, vernünftiger zu sein. Wir könnten mit weniger und gerechter verteilter Arbeit besser leben. Es ist kein natürlicher Zwang, dass immer neue Produkte designt und den Menschen über bestimmte Formen der Indoktrination – verglichen mit der manipulativen Kraft der Werbung heute war die politische Propaganda in der DDR ja eher harmlos – nahe gebracht werden. Die produktiven und technischen Kapazitäten reichen völlig aus, um allen Menschen ein anständiges Dasein zu ermöglichen.

Das, was aus der Logik des Kapitalismus heute völlig unmöglich erscheint – eine bedarfsgerechte Organisation der Ökonomie -, ist vernünftig und machbar. ‚Unmöglich’ ist diese andere Organisation nicht deshalb, weil es uns an Mitteln fehlt. Sie ist ‚unmöglich’, weil hier Machtinteressen verteidigt werden. Hinter den so genannten Sachzwängen stehen die Interessen bestimmter konkreter gesellschaftlicher Gruppen.

Wie wichtig ist es, utopische Vorstellungen im Dialog zu entwickeln? Was Sie und Elmar Altvater ja getan haben …

Zelik: Abstrakte Utopien kommen oft entweder als verträumte Wolkenkuckucksheime oder als technokratische Projekte daher, die man der Gesellschaft von oben aufherrschen will. Wenn Utopie hingegen Ausdruck eines Emanzipationsprojekts sein soll, muss es immer um Verständigung gehen: Menschen sprechen darüber, wie sie leben möchten, wie sie anders, besser, vernünftiger, glücklicher leben könnten. Das ist immer ein unfertiger Prozess, immer eine Diskussion.

Ich kenne Elmar Altvater seit fast 20 Jahren, ich habe bei ihm studiert. Das, was ich über Marx, politische Ökonomie und Ökologie weiß, habe ich zu einem erheblichen Teil bei ihm gelernt. Dass Elmar Altvater und ich uns die Frage nach der Utopie gestellt haben, hatte natürlich damit zu tun, dass in Anbetracht der kapitalistischen Krisen – denn es sind ja mehrere Krisen: die Finanz-, die Überakkumulations-, die Klima-, die Energie, die Verteilungs- und Ernährungskrise – gesellschaftliche Alternativen sichtbar werden müssen. Das Bestehende wird sich fortsetzen, solange es keinen Gegenentwürfe gibt, für die einzutreten sich lohnt.

Welche Adjektive würden Sie Ihrem Begriff von Utopie an die Seite stellen?

Zelik: Sie sollte erstens konkret sein, das heißt die ‚andere’ Zukunft aus Ansätzen ableiten, die heute schon Realität sind.

Unsere Utopie muss zweitens ökonomisch vernünftig sein, also mit jenen Dingen sparsam umgehen, an denen Mangel herrscht: mit natürlichen Ressourcen und mit menschlicher Lebenszeit. Und das heißt unter anderem: Nicht so viel und intensiv arbeiten wie möglich, sondern – ganz im Sinne von André Gorz – so wenig fremdbestimmte Arbeit wie möglich.

Und die Utopie muss drittens ergebnisoffen sein, vielleicht auch ‚entspannter’. Im 20. Jahrhundert wurde oft davon geredet, der Sozialismus brauche einen „neuen Menschen“. Und daraus ergab sich dann oft ein penetrantes pädagogisches Projekt, das die Menschen entsprechend des politischen Entwurfs formen wollte. Ich glaube, wir müssen anders herum denken: Die Utopie ist für die Menschen da, sie muss es uns ermöglichen, Mensch zu sein. Denn wir haben genug empathische, einfühlende, solidarische Anteile in uns, um die Gesellschaft anders, besser zu organisieren.

Vertragen sich Macht und Utopie?

Zelik: Ich denke, Macht und Utopie haben sehr viel miteinander zu tun. Ich habe ja schon behauptet, dass es die Macht- und Zwangsverhältnissen sind, die eine alternative Entwicklung verhindern. Sehen Sie sich an, was die Öffentlichkeit im Fall Venezuela heute am meisten empört: dass dort Privatkonzernen die Sendelizenzen entzogen werden. Als wären profitorientierte Medienkonzerne Garanten der Meinungsfreiheit! Um auf dem Weg zu einer demokratischen Öffentlichkeit weiterzukommen, muss man diesen Konzernen ihre Medien abnehmen. Das erfordert Macht, denn wir haben es ja auch mit einer existierenden Machtstruktur zu tun.

Selbstverständlich ist die Gefahr groß, dass diese Entmachtung sofort zu einer neuen Machtkonzentration führt. Ja, es kann sein, dass die neuen Sendelizenzen in Venezuela wieder nur nach autokratischen Interessen verteilt und von einer Staats- oder Parteibürokratie kontrolliert werden. Aber wenn wir darüber sprächen, wäre das eine ganz andere Diskussion. Wir müssten nämlich anerkennen, dass die Schwächung von Medienkonzernen zunächst zu einer Demokratisierung führt. Die Utopie der demokratischen Gesellschaft hat also sehr viel mit Macht- und Kräfteverhältnissen zu tun. Sie realisiert sich gerade dadurch, dass die Machtverhältnisse verschoben werden.

Insofern sehe ich die Reformregierungen in Lateinamerika mit Sympathie. Sie haben die Kräfteverhältnisse verschoben. Sie werden aber nicht die Träger der Emanzipation sein. Befreiung kann nur aus den Handlungen und Lernprozessen der Betroffenen, der Beteiligten selbst erwachsen. Hier hat es in den Stadtteil-, Indigenen- und Landlosenbewegungen auf dem Kontinent – nach den schrecklichen Niederlagen der 1960- bis 1980er Jahre – interessante Entwicklungen gegeben.

Ist die digitale Web 2.0-Avantgarde eine Praxis, die etwas in Bewegung setzen, evtl. sogar Massen mobilisieren kann?

Zelik: Wenn in der freien Software-Bewegung Programme jenseits des Marktes, jenseits von Konzernen, Firmenhierarchien und Tausch durch freie, gleichberechtigte und internationale Kooperation zwischen Software-Entwicklern entstehen (die IT-Community bezeichnet das als „peer production“), dann zeigt das auf, dass eine andere Organisation von Produktion und Arbeit möglich ist und schon heute Erfahrungen damit gesammelt werden.

Peer production ist natürlich eine Praxis, die etwas auslösen kann. Aber auch an ganz anderen Orten in der Gesellschaft, entstehen oder überleben solidarische, demokratische, kooperative Praxen. Ich glaube, es geht darum, die unsichtbaren Verbindungslinien zwischen solchen vereinzelten Haltungen aufzuzeigen und die Dinge aufeinander zu beziehen. Das, was mir an freier Software gefällt, kann ich auch in bestimmten kulturellen Milieus – zum Beispiel in Stadtteilen, die noch von solidarischen, gewerkschaftlichen Traditionen geprägt sind – erkennen.

Ob Web 2.0 wirklich gleichberechtigtere Formen der Kommunikation hervorbringt, würde ich persönlich eher bezweifeln. Mir scheint die Datenmenge im Netz einer echten Kommunikation eher im Weg zu stehen. Schon die Bücherwelt ist so unüberschaubar geworden. Aber vielleicht kenne ich mich hier auch zu wenig aus.

Oder werden die anarchischen Nischen des Internets bald – wie so vieles – durch die kommerziellen Gesetze der globalen Welt reglementiert sein?

Zelik: Der Kampf um die Privatisierung der Allmende ist nichts Neues. Das Privateigentum hat unter anderem hier seinen Ursprung: dass offen zugängliche Gemeingüter (commons) wie der Wald, das Gemeindeland etc. von Einzelnen – meist mit Gewalt – angeeignet und dabei gleichzeitig „enteignet“ wurden. In der ‚zivilisierten Welt’ übernimmt der bürgerliche Staat die Funktion des Feudalherrschers: Er beschränkt die Allmende, weil der Schutz des Privateigentums seine wichtigste Mission ist.

Soll heißen: Der Kampf um Privatnutzung und allgemeinem Nutzen ist nie endgültig ausgefochten und wird immer wieder von Neuem aufgenommen. Mit verschiedenen Mitteln, auf verschiedenen Terrains und an unterschiedlichen Orten. Heute ist das Internet ein solcher Ort. Womit ich nicht sagen will, dass die „Piraten“ noble Gestalten wären. Die meisten verfolgen ihre persönlichen Anliegen. Aber das tut natürlich auch der Kleinbauer, der die kollektive Nutzung des Gemeindelands verteidigt.

Ich denke, wir sollten uns der Privatisierung des Kommunikationsraums Internet widersetzen. Gerade auch deswegen, weil kulturelles Wissen dadurch ein Menschheitsgut werden kann. Das öffnet uns die Tür zu neuen Form der Weltgesellschaft, zu einer anderen Dimension transnationaler Kommunikation.

Was kann Ihrer Meinung nach jeder Einzelne dafür tun, eine gesellschaftliche Transformation mit zu befördern? Ist beispielsweise das Konzept der Utopisten zukunftsweisend?

Zelik: Uns selbst und unser Leben zu ändern, wie Peter Sloterdijk fordert – der dann aber nicht mal mehr Steuern zahlen will, weil ihm das eine zu starke Einschränkung der Freiheit ist –, wird nicht reichen. Wir müssen die Gesellschaft, die Regeln der Gesellschaft verändern. Das ist ein sozialer, ein kollektiver, ein politischer Prozess, der auch Verpflichtungen und Regulierungen mit sich bringen wird.

Aber natürlich muss man als Einzelner in diesem Projekt auch glaubwürdig sein. Wenn ich Solidarität nur als Überziel vertrete, aber nicht in Alltagshandlungen umsetze, werde ich nicht weit kommen. Oder ein anderes Beispiel: Bewusst zu konsumieren, ist sicherlich sinnvoll. Aber durch eine Konsumentenbewegung werden weder die Umweltprobleme gelöst noch die Ausbeutung des Südens gestoppt werden.

Spielt bei alledem das Ästhetische eine Rolle? Sie sind selbst Romanautor. Hat Literatur beispielsweise eine utopische Funktion? Kann sie etwas geistig vorbereiten? Oder wenigstens der kollektiven Verblödung entgegenwirken?

Zelik: Ich weiß nicht, was Literatur kann. Man schreibt ja oft auch ganz einfach aus Leidensdruck. Weil man gegen die Verhältnisse regelrecht anschreien möchte. Aber natürlich muss das eine Form finden, die über das Bestehende hinausweist. Tina Leisch, eine mit mir befreundete Wiener Regisseurin, hat neulich in einem Gespräch die These aufgestellt, das Scheitern der Nicaragua-Solidaritätsbewegung lasse sich mit deren Vorliebe für die Schriftstellerin und Lyrikerin Giaconda Belli erklären. Wer in Kategorien des Kitsches denkt und spricht, kann nicht weit kommen.

Tina Leisch hat natürlich Recht. Aber ich kann auch nicht sagen, welche ästhetischen Sprachen diesem Ziel gerecht werden. Auch meine Literatur wird diesem Anspruch nicht gerecht. Aber allgemein würde ich vielleicht sagen: Ich schreibe, weil ich dadurch mehr erfassen kann, als ich zu benennen in der Lage bin.

Was haben Sie als nächstes vor?

Zelik: Vielleicht werde ich das Forschungsvorhaben zum Sozialismus weiterverfolgen. Ich würde das, was in unserem Utopie-Buch als Fragen und Ansichten auftaucht, gern genauer, schärfer, fundierter beschreiben können.

vermessungVermessung der Utopie
Ein Gespräch über Mythen des Kapitalismus und die kommende Gesellschaft
von Raul Zelik und Elmar Altvater
ISBN: 978-3-936738-62-9
208 Seiten, 14,90 Euro
Blumenbar-Verlag, Oktober 2009

Das Buch ist als Creative Commons für nicht-kommerzielle Zwecke frei geschaltet:
Debatten-Webseite und PDF-Download

Informationen über Raul Zelik:
www.raulzelik.net

Dieser Beitrag wurde am Sonntag, 15. November 2009 um 00:16 Uhr von urb veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Gespräch, Politik / Gesellschaft abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen. Du hast die Möglichkeit einen Kommentar zu hinterlassen, oder einen Trackback von deinem Weblog zu senden.

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20 Comments »

  1. […] Dieser Eintrag wurde auf Twitter erwähnt. urb sagte: Vermessung der Utopie – Gespräch mit Autor Raul Zelik auf der Hyperbaustelle – unbedingt lesen: http://tinyurl.com/yl7ym8g […]

    Pingback: Tweets die Hyperbaustelle » Utopie ist realistisch | Utopie-Blog erwähnt -- Topsy.com – 15. November 2009 @ 21:47

  2. Ich hätte mir den Artikel gern ausgedruckt – vor allem zum weitergeben. Unter Firefox 3.5.5 habe ich aber massive Probleme dies zu tun. Es wird nur eine Seite angezeigt, auf der die ersten Sätze stehen. Ebensowenig funktioniert Aardvark, zum besseren gestalten des Ausdrucks.

    Wo ist die Druckfunktion dieses Blogs?

    Comment: Matt – 24. November 2009 @ 18:45

  3. Hi Matt, ich habe ein PDF für Download und Ausdruck hinterlegt. Darf ich fragen, wie dir das Gespräch mit Raul Zelik gefallen hat? Gruß urb

    Comment: urb – 24. November 2009 @ 20:47

  4. Hi urb, ich finde das Gespräch authentisch, bewegt und für mich zukunftsweisend. Ich sehe in diesem Gedankengut ein Potenzial, das Veränderungen schaffen wird. Angesichts der Tatsache, dass auf der Welt immer noch Menschen Hunger leiden und vor Hunger sterben, während sich manch andere gerade aus Spaß „dünn hungern und Dreck fressen“, kommt schon die Frage der Menschlichkeit auf … und die Ohnmacht tut richtig weh.
    Übrigens – ich habe auch schon das Interview ausgedruckt und zusammen mit dem Buch weitergeben – es endstand eine sehr bewegte Diskussion … Vielen Dank. LG

    Comment: Nina – 24. November 2009 @ 22:20

  5. Hi Nina, vielen Dank für deine Rückmeldung! Wäre schön, wenn du hier und unter http://www.vermessung-der-utopie.de etwas von der Diskussion wiedergeben könntest. Die kapitalistisch-unökonomische Wirtschaftsweise, der man ohnmächtig und wütend gegenübersteht, beschreibt Raul Zelik schön mit diesem Satz: „Der Kapitalismus ist sozusagen da verschwenderisch, wo er sparsam sein sollte, und er gibt sich geizig, wo wir längst im Reich der Freiheit sein könnten.“ Gruß urb

    Comment: urb – 24. November 2009 @ 23:01

  6. Hi, ein Thema der Diskussion war die Suche nach dem Ursprung der unökonomischen Wirtschaftsweise. Es ging um den Willen zum Teilen und dem Unterschied zwischen der männlichen und weiblichen Denkweise. Männer konzentrieren ihre Aufmerksamkeit auf die Beute, bekannt als Jägertheorie – immer nach vorne schauen, den Blick nicht abwenden, sonst sinken die Überlebenschancen erheblich, also zuerst an sich denken, dann an den Rest. Frauen dagegen denken in erster Linie an das Wohlergehen der Kinder, dann an den Rest. Die Teilungsabsicht ist offensichtlich. Fazit – wenn die Frauen von Anbeginn Mitspracherecht hätten, gäbe es keinen Hunger in der Welt. LG

    Comment: Nina – 25. November 2009 @ 22:21

  7. Hi Nina, an der phallogozentrischen Denkweise ist sicher vieles, wenn nicht das Meiste falsch, aber deine Lösung scheint mir doch recht optimistisch. Wenn du Frauen grundsätzlich als Zeichen für ein verantwortungsbewusstes, auf ein Miteinander ausgerichtetes und gleichberechtigtes Leben und Wirtschaften einsetzt, kann ich dir folgen.

    Zur Jägertheorie, die mir im Großen und Ganzen zu biologistisch ist: Männer achten darin nicht unbedingt auf sich selbst, sondern auf die Beute, dies ohne Rücksicht auf Verluste bis zur Selbstzerstörung. Aber sie verteidigen auch das Rudel, weil ihnen erbkoordiniert mitgegeben ist, dass das Überleben der Gattung über dem des Individuums steht.

    Die in einer modernen Gesellschaft und Demokratie ausgeprägten Machtverhältnisse sind komplizierter. Im Interview mit Raul Zelik erscheint mir die Stelle interessant, wo er über die Verschiebung von Machtverhältnissen spricht, und dass die gesellschaftlichen Gruppen, die sie bewirken, nicht die Träger der Emanzipation sind. Dabei bleibt die Frage natürlich offen, welche Machtverhältnisse Handlungs- und Lernprozesse ermöglichen, die überhaupt erst ein befreites und gleichberechtigteres Miteinander darstellen. Gruß urb

    Comment: urb – 25. November 2009 @ 23:41

  8. Hi urb, ist nicht gerade der Selbstzerstörungsmodus die Wurzel der aktuellen Wirtschaftskrise oder der Invasion im Irak? Die rücksichtsloslose Ausrichtung auf die Beute, auf den Gewinn?
    „Der Mensch schafft sich, er ist nicht von Anfang an fertig geschaffen; er schafft sich, indem er seine Moral wählt, und der Druck der Umstände ist derartig, dass er nicht anders kann, als eine wählen“. (Jean-Paul Sartre)
    Muss der Leidensdruck erst unerträglich werden, damit sich die Menschen verändern und dadurch das Verschieben der Machtverhältnisse erst möglich machen? LG Nina

    Comment: Nina – 26. November 2009 @ 23:20

  9. Hi Nina, das Problem besteht darin, dass die Ausrichtung auf Gewinn und Profitmaximierung von ihren Akteuren in nicht ausreichendem Maße als Selbstzerstörung erkannt wird. So lange die meisten sich in Gleichgültigkeit üben können, weil sie etwa denken, sie selbst kommen gut durch die Krisen, wird sich nichts ändern. Das ist das Fatale, oder wie es Schramm ausdrückt: „Nicht nach uns die Sintflut, sondern wir sind die Sintflut.“ Ich befürchte, dass der Leidensdruck noch viel größer werden muss und dass die entsprechenden Ideen, es besser zu machen, dann nicht schnell genug zur Verfügung stehen werden. Deshalb ist es so wichtig, jetzt darüber nachzudenken und alle zukunftsweisenden Ansätze zu versammeln. Gruß urb

    Comment: urb – 29. November 2009 @ 14:52

  10. […] im Mittelpunkt stand im November das Gespräch mit Raul Zelik über Utopie. Mit Hilfe der Argumente Zeliks konnte klargestellt werden, dass Utopie keine bloße Spinnerei, […]

    Pingback: Hyperbaustelle » Der kritische November | Utopie-Blog – 02. Dezember 2009 @ 16:51

  11. […] Welt analysieren und Auswege aufzeigen konnte. Auch der Schriftsteller Raul Zelik stellte im Interview auf der Hyperbaustelle diese Funktion des Ästhetischen heraus: »Ich schreibe, weil ich dadurch mehr erfassen kann, als […]

    Pingback: Hyperbaustelle » Auswege finden (mit Alexander Kluge) | Utopie-Blog – 31. Dezember 2009 @ 18:56

  12. Zunächst danke für den schönen Artikel. Ich kann viele der vertretenen Positionen und Ansichten teilen. Und doch will ich, auch um die Diskussion zum Blog-Thema zu bereichern, einige wenige Punkte zu bedenken geben.
    Ich finde es nicht zureichend, wenn Menschen, die sich über eine gemeinsame Zukunft der Menschheit Gedanken machen (was gut und richtig ist) komplexe Probleme in veralteten richtig-falsch-Kategorien diskutieren. Eine einseitige Diskreditierung gesellschaftlicher Produktionsweisen (wie etwa des Kapitalismus, der ja kein Gesellschaftssystem ist – im Unterschied zum Sozialismus beispielsweise) entspricht angesichts des unheimlichen Fortschritts (in Medizin, Lebensstandard, Bildung etc.) zum einen nicht der Realität und verunmöglicht zum anderen von Beginn an die Chance auf Utopie. Denn diese bedarf trotz weit gesteckter Ziele immer eines gesellschaftlichen Konsens, um nicht in längst überwundene Muster zurück zu verfallen.
    Und hier müssen UtopistInnen gerade Abstand vom politikgewohnten Meinungsmachen nehmen. Es geht nicht darum, jemanden von seiner Utopie argumentativ zu überzeugen, sondern die BürgerInnen zu befähigen, eigene Zukunftsbilder zu entwickeln. Ich denke, dass nur die subversive Summe Veränderung erzeugen kann, will man die parlamentarische StellvertreterInnendemokratie nicht länger hofieren.
    Die Studien von Boltanski und Chiapello zum neuen Geist des Kapitalismus zeigen eindrucksvoll, dass unter gegebenen Bedingungen nicht selten gerade wirtschafts- und autoritätskritische Strömungen und Initiativen von ihrem erklärten Kontrahenten vereinnahmt und ins Gegenteil gekehrt werden. Dies soll kein Plädoyer für die Festschreibung des status quo sein – vielmehr kann es als Aufforderung einer differenzierteren Betrachtung zunehmend komplexer Realitäten verstanden werden.

    Comment: Christian – 04. Januar 2010 @ 21:40

  13. Hallo Christian, danke für deinen ausführlichen und interessanten Kommentar. Es gibt nicht nur den einen Kapitalismus, selbstredend ist dem massiv entgegenzutreten, der seine Rechnung ohne den Menschen im Mittelpunkt machen möchte. Auch Marx hat den Kapitalismus nicht einseitig diskreditiert. Selbst das Kommunistische Manifest lobt den Kapitalismus, weil er den Menschen aus Feudalismus und Schlimmerem herausgehoben hat und Initiative von ihm verlangt. Ich habe Raul Zelik ganz klar so verstanden, dass Utopie ein ergebnisoffener Prozess sein muss, der die BürgerInnen durchaus dazu befähigt, eigene Zukunftsbilder zu entwickeln: „Die Utopie ist für die Menschen da, sie muss es uns ermöglichen, Mensch zu sein. Denn wir haben genug empathische, einfühlende, solidarische Anteile in uns, um die Gesellschaft anders, besser zu organisieren.“ Ich glaube, auf diesen Satz könnten wir uns einigen! Leider kenne ich die Studien von Boltanski und Chiapello nicht. Könntest du eventuell in kurzen Zügen erläutern, auf was sie sich genau beziehen und ob sie entsprechende Alternativen nennen. Viele Grüße urb

    Comment: urb – 06. Januar 2010 @ 16:06

  14. […] in allen möglichen Bereichen, ohne als solches apostrophiert zu sein. Raul Zelik hat im Beitrag »Utopie ist realistisch« betont, dass Utopie kein totalitärer Staatssozialismus, sondern ein ergebnisoffener Prozess ist, […]

    Pingback: Hyperbaustelle » Ist Utopie totalitär? | Utopie-Blog – 27. Januar 2010 @ 13:28

  15. Schade, dass unser Erkenntnisstand über das Ergebnis der derzeitigen System- und Steuerungskrise des KAPITAL-Projekts nicht zu Herrn Zelik gelangt ist.

    Wer auf die Webseite der DIE KREATIVEN, 1. evolutionistische Partei der Welt, klickt, kann sich über den Erkenntnisstand zur folgenden, evolutionsprozess-theoriegestützt folgenden Weltordnung des KREATIVEN informieren.

    Das EPIKUR-Projekt und der EPIKUR-Lohn sind die Durchsetzungshebel gegen die Weiter-So-Macht des Ancien régime der 2%Wachstumszwang-Tyrannei.

    Comment: Rüdiger Kalupner – 12. Juli 2010 @ 11:18

  16. @Rüdiger Kalupner: Leider verstehe ich nur Bahnhof, wenn ich mir Ihre Webseite ansehe. Können Sie in einem klaren Satz und mittels einfacher Wörter ausdrücken, worum es Ihnen im Kern geht, und in einem zweiten vielleicht, warum es Raul Zelik oder einen anderen Denker weiterbringen sollte, wenn er auf ihr Kapitalprojekt zurückgreift? VG urb

    Comment: urb – 12. Juli 2010 @ 12:45

  17. Danke für Ihren Versuch, meinen evolutions- prozess – theoretischen Ansatz zu verstehen. Meine bildlichen Darstellungsversuche sollten für Ihr Verständnis eigentlich schon ausreichen ….

    Das EPIKUR-Projekt wird das KAPITAL-Projekt evolutionsprozess-logisch ersetzen, und das heißt konkret: die Vorherrschaft der KAPITALSTOCKMAXIMIERER stürzen, die ein 2%Madoff-Schneeballsystem betreiben. Dasdürfte doch auch das Interesse von Hern Zelik wert sein.

    Versuchen Sie‘ s ‚halt noch einmal.

    Comment: Rüdiger Kalupner – 14. Juli 2010 @ 10:24

  18. […] Raul für de:bug geführt hat. Dies ist eines der wenigen Gesprächen über das Buch (siehe auch hyperbaustelle), das den Gesprächsfaden nochmals aufnimmt. Eine Knoten werden wir wohl aber auch in näherer […]

    Pingback: Raus aus der Kuschelecke: Die Utopie wird weiter vermessen. Interview mit Raul Zelik | Ingo Stützle – 18. Juli 2010 @ 11:02

  19. […] 3. Utopie ist realistisch […]

    Pingback: Hyperbaustelle » Top 10 – August 2010 | Utopie-Blog – 07. September 2010 @ 16:20

  20. […] Auf der Hyperbaustelle: Utopistik der Ökonomie Utopie ist realistisch […]

    Pingback: Hyperbaustelle » Das Gespenst des Kapitals | Utopie-Blog – 24. Januar 2011 @ 11:20

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