Ernst Bloch war ein Ketzer, der den aufrechten Gang vorlebte und zu einem zentralen Element seiner Philosophie machte: In einem Gespräch auf DRadio Kultur legt Arno Münster, ein Schüler und Biograf Blochs, auf diese geistige Fortbewegungsart besonderes Gewicht, auch weil sie den Anknüpfungspunkt zur Studentenbewegung der 60er Jahre (siehe auch Artikel in der taz: Utopie verbindet) bildet: Der aufrechte Gang ist für ihn eine »Verbindung von großer philosophischer Durchdringung unserer Problematik der Gegenwart mit einem sehr großen Engagement, auch einem politisch-moralischen Engagement.« Scheinbar gibt es in den westlichen Gesellschaften keine Lobby für den aufrechten Gang. Hoch im Kurs steht der flexible Mensch, der allen Zumutungen willig Folge leistet und davor zurückschreckt, die ihn umgebenden Verhältnisse zu reflektieren.
Der Suhrkamp Verlag hat zwei Bände mit ausgewählten Schriften Blochs editiert: »Grundfragen der Philosophie« und »Gesellschaft und Kultur«, herausgegeben von Johann Kreuzer, der zweite zudem von Ulrich Ruschig. Man mag über die Auswahl der Texte oder auch über deren Aktualisierung im gesellschaftlichen Kontext streiten, die Zusammenstellung bietet jedenfalls eine gute Gelegenheit, Bloch näher zu kommen. Kreuzer schreibt in der Einleitung: »Als Prinzip hat Hoffnung weder kompensatorische Beruhigungsfunktion, noch heißt Hoffnung als Prinzip zu verstehen, die Faktizität der Geschichte zu überspringen.« So ist Blochs Prinzip Hoffnung kein Beruhigungsmittel für an der Realität Gescheiterte, sondern ein eindrucksvoller Beweis, dass der Mensch noch in der Vorgeschichte lebt, in der er sich noch nicht gefunden hat. Bloch bei Suhrkamp.
Ein Vorschein des Menschen, wie er sich selbst erschaffen kann, ist Bloch zufolge in der Ästhetik zu erleben, hierzu Münster: »Tagträume werden dann vermischt mit den Erinnerungsbildern der Utopien, in ihrer verschiedensten geschichtlichen und ästhetischen Gestalt, in Utopien der Architektur, in Malerei, in Dichtung und Musik, die die gesamte westliche Kulturgeschichte prägen. Und diese Weltkultur, eben Prinzip Hoffnung, die ist für Bloch der Stoff der Hoffnung, und er interpretiert ihn mit sichtlichem Vergnügen, so als schriebe er die Partitur für ein Orchester, das alle Genies der Erde vereint.« Der Podcast auf DRadio Wissen.
Die vom Ernst-Bloch-Zentrum herausgegebene Bildmonografie zeichnet das Zusammenspiel von Leben und Werk Blochs zwischen Utopie und Exil nach. Bloch wurde häufig ins Abseits gedrängt, was seine Bedeutung eigentlich nur hervorheben kann: Exil in den USA, Emigration aus der DDR und die Marginalisierung in der BRD. Der vorgelegte, opulent ausgestattete Band ist aber auch für historisch Interessierte und Philologen interessant: Zum ersten Mal wird eine Vielzahl von bisher unbekannten Materialien aus dem Bloch-Archiv und Bloch-Nachlass erschlossen.
Das Ernst-Bloch-Zentrum hat zum 125. Geburtstag ein Zukunftssymposium 2010: »NEUE UTOPIEN. Zeitkritik und Denkwende« veranstaltet. Diese Veranstaltung ist eingereiht in die sogenannten future:labs, die sich mit den Perspektiven, Visionen und Utopien unserer Zeit beschäftigen. Man will Denkanstöße entwickeln und Lösungsansätze in lokalen, regionalen und globalen Bezügen diskutieren. Das Update zum future:lab 2.0 – NEUE UTOPIEN steht für die Einsicht in die gesteigerte Notwendigkeit einer Reaktion auf die Veränderungen von Demokratie und Sozialstaat und der Fokussierung spezieller utopischer Themen- und Problemfelder. Das FutureLab im Netz.
Die Ernst-Bloch-Assoziation hat ein Bloch-Wörterbuch fertiggestellt, das beim de Gruyter Verlag erscheint, empfohlen allen, die den Blochschen Begriffen und Kategorien auf den Grund gehen wollen. Die Texte wurden von einem Expertenkreis geschrieben. Im Rahmen einer Tagung wird das Wörterbuch am 30. Oktober 2010 an der Humboldt-Universität in Berlin vorgestellt. Eine Online-Variante des Wörterbuchs hat leider nicht zu allen Stichwörtern Texte hinterlegt. Es wäre schön, wenn die Verantwortlichen hier eine Überarbeitung vornehmen und zumindest in Auszügen auf die Printveröffentlichung verweisen würden. Wörterbuch unter www.ernst-bloch.net.
« 2110 – Sport ist wunderbar ungerecht – 2110 – Cybermoral mit Pfiff »
No comments yet.