Wie sind Sie über den Winter gekommen? Wo doch Naturereignisse wie Guttenberge und Westerwellen auf der Strecke geblieben sind! Auf der Hyperbaustelle konnte man merken, dass viele Leute statt im Winterschlaf zu erstarren mit Leidenschaft über alternative Gesellschaftsentwürfe nachdenken. Meinen Dank nochmals an Susanne Wiest, Horst Müller, Ernolf, Thorsten, Bibi, Kathrin, Abu Selma, Paul, vip, the Mule, Gloria, Constanze Kurz, die Blogosphäre, die KTG beerdigt hat, und allen Wählern, die die FDP nicht gewählt haben.
Kartoffelsalat - Bakteriennährboden und Sinnbild für die FDP
Ökonomie ist grundlegend für unsere Gesellschaftsstrukturen. Und sie spielt auf der Hyperbaustelle in nahezu allen Beiträgen des Januars die zentrale Rolle. In den Köpfen der meisten Menschen hat sich spätestens nach der vergangenen Finanzkrise ein kapitalismuskritisches Denken entfaltet, ohne dass eine Emanzipation gegenüber der neoliberalen Ideologie gelingen konnte.
Bulle und Bär - das Börsen-Wahrzeichen sagt eigentlich alles über die Irrationalität des Terrains, auf dem sich die Kapitalmärkte bewegen.
Die Hyperbaustelle ist im Herbst umgezogen, wie die Betreiber. Die Menge der Beiträge ging deshalb zurück, die Zugriffsstatistik aber weiter nach oben. Der erste Rückblick seit Juli umfasst philosophische An- und politische Erregungen. Und ein sich immer besser auch in Kommentaren entfaltendes Tagebuch 2110.
1989 schlug Tim Berners-Lee seinem Arbeitgeber CERN ein Projekt vor, das auf dem Prinzip des Hypertexts beruhte und den weltweiten Austausch sowie die Aktualisierung von Informationen zwischen Wissenschaftlern vereinfachen sollte. Hieraus entstand das WWW.
Auf Wunsch von Paul die Top Ten des Tagebuchs 2110/2109 von nov: von Viren, die das Sprachzentrum ummodeln, von Kindern, die nicht mehr geboren werden, von Helden der geschichtlichen Antikonsum-Bewegung, von der Angst vor dem Kommunikationsausschluss, von Sportausübung als Kriegsersatz, vom Denken in Schwärmen, von Handwerks- und Politikrobotern, vom Ausschalten des Internet und Fichtenbestands, von der Spaltung des Menschen in seine Hologramme.
Da waren wir doch schon einmal ... Ruinen offenbaren die Vergangenheit in der Zukunft.
Statt einer Monatszusammenfassung liefere ich diesmal die Top 10 der Hyperbaustelle, die am meisten abgerufenen Beiträge mit Stand 31. August 2010. Unangefochtener Spitzenreiter, obwohl erst seit Mai im Netz, ist »Die empathische Zivilisation« über das gleichnamige Buch von Jeremy Rifkin.
Jeremy Rifkin macht die Milleniumsgeneration zum Hoffungsträger, ihr dramaturgisches Bewusstsein und ihre theatralische Ich-Konstruktion zur Keimzelle der dritten industriellen Revolution.
»Baut kleine geile Firmen auf« – oder um die Aufforderung Funny van Dannens zu präzisieren: den Großen Konkurrenz mit Businessmodellen machen, die Verantwortung für natürliche Ressourcen und sozialen Zusammenhalt tragen und nicht ausschließlich monetäre Ziele verfolgen. Wie das mit Regenwäldern, Suchmaschinen und Arbeitsplätzen zusammenhängt, war vergangenes Monat Thema auf der Hyperbaustelle.
Während die Welt nach Südafrika schaut und großzügig über die Bannmeilen und Geschäftemachereien der Fifa hinwegsieht, sickert das Sparpaket der schwarz-gelben Koalition langsam in die Duldsamkeit der Deutschen. Als Gegengewicht wurde auf der Hyperbaustelle der französische Philosoph Alain Badiou vorgestellt, der sich von einer Passion, Erkenntnisse in die Realität umzusetzen, leiten lässt. Eine antikommerzielle Einstellung beseelt auch den Jazzmusiker Steve Coleman, der seine Alben kostenlos zum Download anbietet.
Im Mittelpunkt des Baustellenmais stand neben der Landtagswahl in NRW das Buch des Visionärs Jeremy Rifkin über die Möglichkeit einer empathischen Zivilisation, dessen Lektüre ich wärmstens empfehle. Warum Netzkultur zerstreuend, inzestuös und utopisch zugleich ist, hat mich auch im vergangenen Fliedermonat beschäftigt, ebenso die Poesie der Statistik und die moralische Anstalt des Kabaretts, diesmal am Beispiel Hagen Rethers. Nov fürchtete die entfesselten Riesen der nicht regenerativen Energiegewinnung und die postchristliche Exkommunikation.
Die Baustelle ist nicht etwa der Frühjahrsmüdigkeit zum Opfer gefallen, nein, viel beschäftigt musste sie etwas zurückstecken, meldet sich aber hiermit zurück. Ich möchte an das Gespräch mit Jan Süselbeck über Literatur und Kritik erinnern und für eine littérature engagée eintreten, die auch in Zeiten der Wirtschaftskrise die richtigen Kurs kennt.
Scheiden tut weh – statt des Winters hätte die Hyperbaustelle in der verückten Jahreszeit gerne die FDP samt ihres Steuersünderklientels hinausgekehrt. Die karnevalesken Einlassungen sollten dabei keineswegs systemstabilisiernd wirken, sondern als durchaus gesellschaftsverändernd verstanden werden. So sorgte der Maskenbruch des Kabarettisten Christian Springer alias Fonsi erst am Aschermittwoch für Furore. Das hatte utopischen Drive: »Ich habe keine Lust mehr, Herr Westerwelle, über Sie Späße zu machen …«
Das Beste am Karneval: Aschermittwoch und Maskenbruch: Christian Springer am Aschermittwoch der Kabarettisten 2010.
Der Januar war kalt, aber voller erwärmender Themen und neuer Kontakte: Im Mittelpunkt stand die Frage, ob Utopie totalitär ist oder warum sie in der so genannten „freien westlichen Welt“ gerne mit Faschismus gleichgesetzt wird. Gefährlich erscheint mir die Rolle der Neurobiologie als neue Leitwissenschaft, sofern sie sich darin gefällt, alles ohnehin Gültige nur zu bestätigen. Und ein weiteres Beispiel dafür, dass das Internet keine von weltfremden Freaks bewohnte Parallelwelt ist, lieferte das Gespräch über das Charity-Portal 2aid.org.
Die Blogrolle der Hyperbaustelle ist zum neuen Jahr online gegangen. Wir haben eine gute Mischung aus Magazinen, Blogs und sonstigen Netz-Dependancen hineingefüllt. Utopie steht natürlich im Zentrum, aber auch zukunftsweisende Web- und Medienkultur sind wichtige Aspekte.