nov, 23. Februar 2116Immer wenn mir Zweifel an der Wirklichkeit kommen, mache ich den sogenannten Matrixtest. Dazu entlade ich mit einem EMP-Gerät sämtliche elektromagnetischen Felder in meinem Umfeld, was jede wie auch immer geartete Matrix zusammenbrechen ließe. Zuvor habe ich das EMP durch ein zweites überprüft. Es könnte ja schließlich selbst eine Simulation innerhalb eines Simulakrums sein. Dann fülle ich einen vorbereiteten Bogen mit folgenden Fragen aus: Wer bin ich? Wie sehe ich aus? Welche Gegenstände befinden sich in meinem Zimmer? Was ist mein Lieblingsessen? Wie hieß meine erste Freundin? Wie lautet mein Lieblingszitat? Dann vergleiche ich die Antworten mit denen der bisherigen Testbögen. Bislang gab es unter unzähligen Versionen noch keine einzige Übereinstimmung. Für mich der sichere Beweis, mich nicht in einer als konsistent vorgespiegelten Wirklichkeit zu befinden, sondern ein aufrichtiges Produkt meiner Einbildungskraft zu sein. Oder bin ich das Produkt eines Denkfehlers? |
To be continued …
nov, 28. März 2115Noch treibe ich in einem Boot auf dem Wasser, das unter mir gluckst, und beginne erste Geräusche im Haus zu hören. Ein schönes Gefühl langsam von einer Welt in die andere hinüberzugleiten. Es gehört mittlerweile zum guten Ton, den Träumen nachzuhängen und sie weiterzuspinnen, bis sich die Müdigkeit gänzlich aus dem Körper zurückgezogen hat. Der Schlaf ist uns heilig geworden, der Traum stellt uns wieder her, im Wachtraum bestimmen wir uns selbst. Der Rest des Tages ergibt sich dann von ganz alleine. Ich stehe langsam auf und greife zu meinem Tagebuch, in das ich einige Eindrücke meiner nächtlichen Bootsfahrt notiere. Kaffee trinkend und frühstückend betrachte ich die Landschaft draußen, wie sie mir als träumender Geist Zeichen sendet. Ich lese in einem Buch über ein magisches Theater und mache mich dann bereit für meine Aufgaben draußen. Dann werde ich mit dem Boot auf den See hinausfahren und die Wasserzufuhr auf der anderen Seite kontrollieren. Gemächlich paddle ich dahin. Aber ich bin voll konzentriert auf mein Tun, auf das Wasser und die Technik, die mich am anderen Ende erwartet. |
To be continued …
nov, 8. Februar 2112Wir sind alle Politiker, Bauern, Elektroniker, Handwerker und Künstler in Personalunion. Jeder Mensch lebt alle diese Bestandteile, nicht als Monade, sondern im sozialen Netzwerk. Das ist vielleicht die kulturelle Leistung seit dem Wiederaufbau. Die mystische vom alten Marx aufgestellte Formel, dass aus der Trennung von Hand- und Kopfarbeit nur falsches Bewusstsein entstehen könne, ist damit aufgehoben. Niemand muss unentwegt kreativ sein, nichts als Hausarbeit verrichten, permanent Leute überzeugen und gewinnen oder Pflanzen züchten und ernten. Nein, wir existieren in einem ausgewogenen Gleichgewicht zwischen allen diesen Tätigkeiten. Wir denken auf der Basis unserer körperlichen Gegegebenheiten. Jeder Gedanke und jedes Gesetz atmet die Erfahrung täglicher Arbeit. Und die von uns gemalten Bilder geben uns die Kontur, die wir zum Überleben brauchen. Aber auch heute gibt es Sklaven: Maschinen, die wir aus Humanitätsgründen nicht mit Empfindungen ausgestattet haben. |
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nov, 30. Dezember 2111Was wird aus meinen Daten, wenn ich einmal nicht mehr bin? Eine Frage, die sich mir am Ende jedes Jahres stellt. Wie oft haben meine digitalen Habseligkeiten schon die Festplatten und Wolken gewechselt, und immer noch stehen sie mir zur Verfügung. Natürlich nur insofern ich mich an etwas mehr oder weniger Bestimmtes erinnern kann, und mir ein Suchwort einfällt, es zu bergen. Was haben die virtuellen Selbsterweiterungen aus mir gemacht? Einen Such- und Sicherungsimpuls? Einen Kontrollwunsch, der sich mittels elektronischer Prothesen durch sein digitales Reich bewegt? Werde ich in diesen Daten weiterleben? Sind sie – ähnlich wie in der Ergebnisliste einer großen Suchmaschine – eine Spiegelung, die es noch gibt, auch wenn das Originaldokument bereits gelöscht wurde? Und was heißt Löschen in einer Zeit, in der aus DNA oder Speicherzelle doch alles wieder restauriert werden kann? |
To be continued …
nov, 9. November 2110Eine Sprache wie ein Akkord, ein Vielklang an Informationen, gesättigt mit dem, was war und werden werden wird und demnach ist. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind nicht geschieden in der neuen Art des Denkens, das wir mit elektronischer Unterstützung lernen. Eine Frage des Speicherns, weiter nichts, und dann die Explosion von Möglichkeiten: Je polyvalenter das Gehirn, desto weniger spielen Zeit und Raum in ihrer linearen Form eine Rolle. Wir müssen unsere Körper nicht mittels Maschinen durch Raum oder Zeit karren. Wir sind die Maschine selbst und bislang nur durch Vorurteile an eine physische Existenz gekettet. Das kollektive Gedächtnis fließt in uns. Der Raum krümmt sich, wenn wir die Informationen umverteilen. Wir bewegen uns ohne Zeitverlust in viele Richtungen. Wir sind in mehreren Lebensaltern gleichzeitig präsent, entdecken als Vertreter der Renaissance die Natur und träumen uns als Romantiker in die Weltseele. |
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